Boris Blank im Interview – Tauche in seine Soundwelt ein: Zur Entstehung von „Resonance“ und mehr

Boris Blank im Studio mit Stefan Bock & Stefan Zaradic

Yello-Komponist Boris Blank hat sich zum Release seines Solo-Albums „Resonance“ mit uns für ein Interview zusammengesetzt. Hier erzählt er von der anspruchsvollen Gratwanderung zwischen seiner eigenen Identität in der Musik und der Auftragsarbeit für „Resonance“, die Inspiration, die das Thermalbad gegeben hat, wie es war, seine eigene Musik in 3D zu hören und wohin die  musikalische Reise in die Zukunft gehen wird… Das Interview führte Christoph Diekmann.

Boris, am 16. Februar erscheint dein drittes Soloalbum „Resonance“. Wie war es für dich, diesmal musikalisch kein Yello-Album zu konzeptionieren?

In diesem Fall war das musikalische Thema ein komplett anderes. Es ging hier darum, etwas Chilliges, Meditatives zu konzipieren, da ich die Musik ursprünglich für den Wellness-Bereich eines Thermalbads kreiert habe, wo die Leute sich entspannen wollen.

Aber ansonsten ist die Situation eigentlich dieselbe wie in den letzten 45 Jahren: Ich mache, wie auch bei Yello, die Musik. Natürlich unterscheidet die Musik auf „Resonance“ sich von dem, was wir mit Yello machen, da es eine Instrumental-Platte ist. Bei Yello kommt die Musik von mir und wenn sie fertig ist, zeige ich sie Dieter, der dann dazu eine Figur erfindet und dann als Protagonist durch diese Klangwelten schreitet.

Was war also das Besondere bei der Entstehung von „Resonance“?

„Resonance“ war für mich fast schon eine Gratwanderung. Die Musik war, wie gesagt, für ein total abgedunkeltes Thermalbad gedacht – mit einem Firmament bestehend aus LEDs, einer Liegeinsel mit einer riesigen Projektionsfläche an der Decke und zwei Stockwerken Wintergarten. Da war klar, dass ich mich nicht in die „Kitsch-Ecke“ oder in eine esoterische Richtung drängen lassen wollte und da irgendwelche Panflöten und Harfen einbaue. Vielmehr hatte ich den Anspruch, eine gewisse Dramaturgie in jedem Stück aufzubauen und eine Art Reise zu gestalten, in die die Leute hineingezogen werden.

Aber natürlich nicht so, dass die Defibrillatoren an den Wänden zum Einsatz kommen: Das Ganze ist mehr oder weniger gemächlich, es gibt zwei oder drei Uptempo-Nummern, gemäß den Themen, die ich als Auftrag erhalten habe. Das sind Facetten, die im weitesten Sinne dem Mikrokosmos des Wassers in sämtlichen Aggregatzuständen angehören.

Es gab Themen und Facetten, die von der Firma FORTYSEVEN vorgegeben worden waren.  Im weitesten Sinne waren es Themen wie „Rock Bottom“, also der Fels, das Material der Erde, oder „Cosmos“. Ein weiteres war „Gravity“, das Auflösen der Gravitation, das Schweben. An diese Themen habe ich mich so weit wie möglich gehalten und versucht, ihnen musikalisch entgegenzukommen, ohne dabei meine DNA zu verlieren.

Boris Blank - Resonance

Und auch Mario Botta, der Architekt, war für mich ein weiterer wichtiger Grund, bei dem Projekt dabei zu sein, denn er ist ein sehr angesehener Architekt. Ich durfte sogar den Archäologen bei ihren Ausgrabungen zuschauen, als sich das Thermalbad noch im Rohbau befunden hat. Da konnte ich sehen, wie die ursprünglichen Quellen noch von römischen Mauern umfasst wurden – von vor mehr als 2000 Jahren.

Ist aus diesem Gebäude und der Entstehungsgeschichte dann auch Inspiration gekommen? Warst du während des Bauprozesses vor Ort und hast auf dieser Grundlage nochmal Stücke verändert, bis dann die fertige Komposition und Aufnahme stand?

Auf jeden Fall. Ich stand ja auch in engem Kontakt zu dem Team, das die Filme produziert hat, die in den Räumen an die Decke projiziert werden. Da gab es immer wieder Sitzungen. Sie haben sich sogar, wenn ich das so sagen darf, eher meiner Musik angepasst, weil es einfacher war, die Bilder nach diesen Rhythmen zu schneiden, als umgekehrt.

Man wollte das ganz bescheiden in Stereo anrichten. Und ich sagte: „Wenn es ein Erlebnis sein soll, dann muss es unbedingt immersiv stattfinden.“ Dafür haben sie die Wand-Verkleidungen ändern müssen, um zusätzliche Lautsprecher platzieren zu können – und zwar wirklich viele.

Stefan Bock und Stefan Zaradic haben diese dann über ihr SpatialSound Wave Tool dreidimensional angesteuert und konnten sie dann darüber adressieren und Sounds zu verschiedenen Lautsprechern schicken, sodass der ganze Raum eben letztlich auch von den Klängen durchflutet wird. Dass die Klangwelt immersiv gestaltet wurde, war eine ganz wichtige Entscheidung – und hat die Betreiber leider ein bisschen Geld gekostet.

Boris Blank mit Stefan Bock & Stefan Zaradic
Boris Blank im Studio mit Stefan Bock und Stefan Zaradic

Das war ja auch nicht deine erste Zusammenarbeit mit Stefan Bock und Stefan Zaradic. Das Yello-Album „Point“ haben sie in München gemischt. Auch „Resonance“ wurde bei Stefan Bock im Studio für Blu-ray finalisiert, und sie waren auch mitverantwortlich für die Installation und den Sound vor Ort. Wie gestaltete sich diese Zusammenarbeit konkret?

Für mich war das natürlich ein Ereignis, weil ich schon immer – so sagen mir Stefan und Stefan – zweidimensionale Musik gemacht habe, die in eine dreidimensionale, also immersive Welt passt. Ich will, dass die Hörer sich in die Soundlandschaft, in meine Klangwelt einfühlen und sie begehen können, um sich dort umzusehen.

Und das haben die beiden eben auch so empfunden. Ich schickte ihnen eine Referenz in Stereo – das war ihre Vorlage –, die Statik immer dort konzentriert, wo sie sein muss, und dann haben sie angefangen zu gestalten. Vertrauen in ihre Arbeit hatte ich schon durch „Point“. Von der Mischung war ich schon total angetan.

Ich glaube auch, dass dieses 3D-Mischen eine eigene Abteilung ist, in die ich mich gar nicht hineinbegeben möchte, weil das sehr komplex ist – das muss man können. 3D-Mischen ist nicht jedermanns Sache, aber die beiden können das sehr gut, sie haben jahrelange Erfahrung damit. Und ich werde dann überrascht, wenn ich nach München gehe, oder sie in die Zürcher Hochschule der Künste kommen, in der sie ein wunderbares, kleines Studio haben, das sehr gut ausgestattet ist, auch mit Dolby Atmos. Da öffnen sich mir ganz neue Horizonte, da ich dann meine eigene Musik mit neuen Ohren höre.

Außer ein paar kleinen Justierungen, die sie noch für mich machen, bin ich meist überglücklich mit dem Klang. Für mich ist das ein Ereignis, wie damals als kleiner Junge, der noch in Mono die Rolling Stones gehört hat – und dann plötzlich gab es Stereo und von links kommt das Schlagzeug und rechts die Gitarre. Jetzt ist es eben so, wie es immer schon sein sollte – nämlich, dass Musik dreidimensional klingt, wie wir auch zum Beispiel auf der Straße das Leben hören.

Bist du so von Dolby Atmos infiziert, dass du schon beim Komponieren eine 3D-Vorstellung vom Sound hast?

Nein, überhaupt nicht. Das ist ja das, was sie über die Musik von Yello sagen: Sie sei immer schon prädestiniert dafür gewesen, die Klänge und Spuren unterschiedlich im Raum zu platzieren. Als meine Tochter noch im Kindergarten war oder später zur Schule ging, kamen bei Elternabenden Mütter oder Väter zu mir und meinten: „Ich mag Yello ja sehr, aber ich kanns nicht mehr hören, mein Junge hört den ganzen Tag eure Musik.“ Da ist irgendwas Spielerisches, was den Hörer eben klanglich hineinschauen und immer mehr Dinge entdecken lässt. Und deswegen glaube ich, dass unsere Musik für 3D-Klang sehr gut geeignet ist.

Davon bin ich überzeugt. Ich präsentiere immer gerne eure Scheibe bei unseren Vorführungen – wir machen eine Roadshow, Visions of Sound, wo wir jedes Jahr in 25 Städten zum Händler einladen, um dieses immersive Erlebnis denjenigen Konsumenten vorzustellen, die es möglicherweise noch nicht kennen. Und da ist Yello immer in der Playlist.

Super! Hast du „Resonance“ schon gehört in 3D?

Ich habe es leider noch nicht hören können.

Es ist ein Erlebnis. Es gibt ein Stück, das du dir merken musst, das heißt „Time Bridges“. Du kennst das, wenn du Gänsehaut kriegst, von oben bis in die Sohle. Das Stück ist wie wenn du dich in einem Magnetfeld bewegst. Du kannst die Konturen der Magnetfelder fast schon anfassen, das ist unglaublich. Das hat etwas Magisches, da bleibt wirklich die Zeit ab und zu stehen. Wegen der Konvergenz, wenn sich diese monotone Basslinie immer wieder wiederholt – und plötzlich bist du in etwas drin, das dich physisch total mitreißt.

Magst du noch zwei oder drei andere Szenen aus dem Album beschreiben? Was erwartet uns da?

Es dreht sich um Räume, die für mich immer schon wichtig waren, daher auch der Albumtitel „Resonance“. Es gibt einen ganz großen Raum, nämlich den Weltraum, auf den ich Bezug nehme. Das Solebad hat die anmutige Stimmung eines Firmamentes, also war meine Überlegung, ein 15-20 Minuten langes Stück zu machen, mit einem Höhepunkt in der Mitte, die Essenz sozusagen. Die Leute gehen alle fünfzehn Minuten rein und wieder raus, und das Ziel war, dass es so viele Leute wie möglich erleben können. Das ist das Titelstück „Resonance“ auf dem Album.

Dann kam eine Anfrage von einer Post-Production Firma aus London, die Special Effects u.a. für Batman und James Bond machen. Sie waren im letzten Sommer von der NASA beauftragt worden, einen dreiminütigen Trailer mit NASA-Footage zu erschaffen. Diese Firma bat dann wiederum mich, ein Musikstück zur Verfügung zu stellen. Dafür habe ich dann diese drei Minuten aus der Szene vom Solebad ein bisschen überarbeitet und zum Mischen in ein Dolby-Atmos-Studio nach London geschickt. Der Schweizer Thomas Zurbuchen war zu der Zeit der oberste Entwicklungschef der NASA, er hat das Milliardenbudget auf seinen Schultern getragen und dieses Projekt ermöglicht. Mit ihm war ich im Kontakt, habe ihm das Stück geschickt, und er hat sehr nett geantwortet, dass es ihm gefalle, und er auf das Video gespannt sei. Leider hatte die Firma zu viele Aufträge, die sie fertig machen mussten und hat das Projekt letztlich in den Sand gesetzt.

Aber weil ich schauen wollte, wie es ungefähr aussehen hätte können, habe ich mich in ein paar Libraries bei der NASA eingekauft und Footage vom Weltraum von NASA-Satelliten heruntergeladen. Daraus habe ich selbst ein Video geschnitten, das ich der NASA natürlich nicht vorspielen würde, denn dafür ist es meines Erachtens zu simpel.

Insgesamt habe ich tatsächlich fünf Videos für das Album produziert, weil ich die Welt der Bilder für mich entdeckt habe. Zusammen mit Musik ist diese eigentlich naheliegend. Bildschnitt und Rhythmus sind extrem nah beieinander.

Zum Beispiel habe ich noch ein Video zu „Vertigo Heroes“ erstellt: Das erinnert mit seinen Zahnrädern ein bisschen an Fritz Lang und Metropolis. Ich ging dabei ähnlich vor wie bei meiner Musik. Ich fange immer mit einer Idee an, z. B. sagen wir mit einem Zahnrad, und dann kommt noch etwas dazu, und dann noch etwas, wie bei meinen Sounds. Und plötzlich zeichnet sich ein Umriss ab, der mir dann zeigt, wo die Reise hingeht – und genauso ist das auch bei den Bildern.

Dieter beschreibt dich ja als Maler mit deiner Musik. Um diese Klanggalaxien zu malen, wie hoch ist da der audiovisuelle Anteil von „Resonance?“ Gibt es zu jedem Track Grafik- und Videoinstallationen im Thermalbad?

Zu sechs Facetten, die da an die Decke projiziert werden, gibt es einzelne Stücke. Im Solebad läuft ein langes Stück, ebenso im Winterbad, das dann wirklich eine Reise um den Planeten und über die Steppen darstellt. Und wenn man dort in diesem Wintergarten mit Pflanzen und Schmetterlingen liegt, soll die Musik auch diese Atmosphäre begleiten.

Wenn du auf die Entstehungsgeschichte zurückblickst und im Zeitraffer diese Reise zu dem fertigen Werk beschreiben würdest, was waren die Herausforderungen und die kritischen Momente bei der Produktion?

Das ist schwierig zu sagen. Wie anfangs schon erwähnt, war es eine Gratwanderung, nicht zu sehr in den Kitsch zu rutschen: Es darf schon ein bisschen süß werden in gewissen Stücken, aber auf keinen Fall sollten dabei esoterische Assoziationen geweckt werden. Ich denke, da spielt eine gewisse Erfahrung aus den letzten 45 Jahren mit, dass ich einfach mein Ding machen kann und mich dabei nicht verbiege. Es muss mir ja Spaß machen und das ist mir in diesem Fall gelungen.

Der Austausch war etwas, das ich nicht gewohnt bin. Sonst bin ich wie ein Eremit immer alleine im Studio. Mich und meinen Prozess in diesem Fall mit Leuten zu teilen, die dann ihren Film daran anpassen und nach bestimmten Szenen fragen, das war neu. Da war aber nie ein Clash oder irgendetwas Unangenehmes. Es kamen dabei keinerlei Spannungen auf. Der Dialog war schlicht ungewohnt für mich, da ich sonst total abgeschottet von der Außenwelt arbeite.

Ich bin sehr gespannt. Im Infotext, den wir bekommen haben, ist schön formuliert, dass du den Planeten verlassen hast und wir im spacigen Orbit surfen. Auf diese Surfwelle freue ich mich schon sehr.

Ich sage mal, nehmt ein bisschen Ruhe mit und erwartet nicht die Popsongs, die man von Yello gewöhnt ist. Mit einem Hang zur Melancholie oder Meditation und Entspannung zur Musik kann euch das gefallen, denke ich.

Die DNA, die Wiedererkennung in den Stücken, das „Blanksche“ Ding ist in der Musik irgendwie zu erleben, sagte man mir. Man hört nach drei Takten: Das ist Yello – oder eben Boris Blank.

Vielen Dank für diese Informationen! Gibt es irgendetwas, an dem du gerade arbeitest, wovon du uns erzählen kannst? Ein neues Projekt vielleicht?

Bestimmt geht die Reise zurück auf die Hauptstraße –zu Yello natürlich. Ich habe vor Kurzem meinen alten Mac Pro total nach Artefakten durchforstet und seit teilweise 1997 lagern dort irgendwelche Ideen, denn ich arbeite ja, wie gesagt, wie ein Maler. Der hat dann so einige Bilder in seinem Atelier, die er in der Ecke abgestellt hat.

Da gibt es so Vieles: 70-80 Tracks, die angefangen sind und nie fertiggestellt wurden. Auch in den letzten zwei Jahren – gerade vor kurzem habe ich ein Stück komponiert, das auch wieder in die Auswahl für eine neue Vernissage von Yello kommen wird.

Super, wir freuen uns schon darauf! Sehr vielen Dank für deine Zeit für das Gespräch.

Ach, sehr gerne.

Frauen in der immersiven Klangwelt der Musik

Frauen immersive Audio

Anlässlich des Weltfrauentags möchten wir drei bemerkenswerte Frauen vorstellen, deren künstlerisches Schaffen die Welt der immersiven Musik nachhaltig geprägt und Frauen den Weg geebnet hat. Begleitet uns auf einer kurzen Reise durch die beeindruckenden Leistungen von Jane Ira Bloom, Mylène Farmer und Sarah Hicks.

Jane Ira Bloom: Jazz-Virtuosin, die Grenzen neu definiert

Jane Ira Bloom, ist eine renommierte Saxophonistin und Komponistin und hat mit ihrer einzigartigen Mischung aus traditionellem Jazz und zeitgenössischer Innovation das Publikum weltweit in ihren Bann gezogen. Ihr Talent als Musikerin und Komponistin haben der Welt des Jazz eine neue Perspektive verliehen – Steigend, poetisch, spontan und sofort identifizierbar sind die Worte, mit denen der Sopranklang der Saxophonistin Jane Ira Bloom beschrieben wird. Seit 35 Jahren entwickelt sie unentwegt ihre singuläre, sofort wiedererkennbare Stimme auf dem geraden Horn und hat eine Musik geschaffen, die sie als amerikanisches Original kennzeichnet.

Heute ist sie ist neunmalige Gewinnerin des Jazz Journalists Association Award für Sopransaxophon, der Downbeat International Critics Poll und des Charlie Parker Award for Jazz Innovation und hat mit herausragenden Jazzkünstlern wie Charlie Haden, Ed Blackwell, Kenny Wheeler, Julian Priester, Mark Dresser, Jerry Granelli, Matt Wilson, Billy Hart und Fred Hersch zusammengearbeitet.

Im Jahre 1989 war sie die erste Musikerin, die einen Kompositionsauftrag der NASA erhielt. Für sie schrieb sie das Stück „Most Distant Galaxy“, das auf ihrem Album Art & Aviation (1992) enthalten ist und hatte sogar die Ehre, einen Asteroiden von der Internationalen Astronomischen Union benennen zu lassen (Asteroid 6083janeirabloom).

Mit ihrem Album „Early Americans“ hat sie im Jahre 2018 ihren ersten Grammy für das beste Surround Sound Album des Jahres erhalten.

Mylène Farmer: Französische Popsensation

Die aus Frankreich stammende Popsensation Mylène Farmer hat mit ihrer hypnotisierenden Stimme die Herzen von Millionen von Menschen erobert.

Mylènes Weg zum Ruhm begann in den 1980er Jahren mit ihrem bahnbrechenden Debütalbum „Cendres de Lune“, das sie ins Rampenlicht katapultierte. Mit ihrer Leichtigkeit, Genres miteinander zu verschmelzen, wurde Mylène Farmer schnell zur Wegbereiterin und definierte die französische Poplandschaft neu. Ihre Zusammenarbeit mit dem Komponisten Laurent Boutonnat war geradezu magisch und brachte einige der kultigsten und denkwürdigsten Hits in der Geschichte der französischen Musik hervor.

Mit über 30 Millionen verkauften Tonträgern hat sie im Laufe ihrer Karriere immer wieder die Charts angeführt und zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Ihr Erfolg reicht weit über die Grenzen Frankreichs hinaus und hat ihr eine treue Fangemeinde rund um die Welt eingebracht.

Und auch Ihre Musikvideos sind beeindruckend, erinnern oft an visuell fesselnde Kurzfilme: Das ikonische Video zu „Libertine“ markierte den Beginn von Mylènes visuell atemberaubenden und provokativen Talent, mit ihrer Musik Geschichten zu erzählen.

Mylène Farmer live zu erleben ist nicht immer so leicht – sie ist kein großer Fan von Tourneen und begrenzt sich oft auf französischsprachigen Raum oder tritt im Bercy auf. Wer seine Chance bisher nicht gehabt hat, kann ihre beeindruckenden Shows in „Live 2019 – Le Film“ in Dolby Atmos bewundern.

Sarah Hicks: Dirigentin an der Spitze

In der Welt der klassischen Musik sticht Sarah Hicks als Vorreiterin hervor. Als eine der wenigen weiblichen Dirigenten, die große Orchester leiten, hat Hicks für ihre dynamischen und fesselnden Darbietungen viel Beifall geerntet und hoffentlich den Weg für viele Dirigentinnen nach ihr geebnet.

Als Chefdirigentin von Live at Orchestra Hall mit dem Minnesota Orchestra hat Hicks ihr außergewöhnliches Talent auf nationalen und internationalen Bühnen unter Beweis gestellt. Zu ihren Auszeichnungen gehört die Zusammenarbeit mit renommierten Künstlern wie Prince, Sting und Ben Folds. Ihre Vielseitigkeit und Fähigkeit, nahtlos zwischen Genres zu wechseln und diese miteinander zu verbinden, zeichnet sie aus.

Besonders spezialisiert sich Sarah Hicks auch auf das Genre der Filmmusik im Konzert. Sie setzt sich leidenschaftlich dafür ein, Konzerterlebnisse zu schaffen, die Sehen und Hören miteinander verbinden und hofft so, auch neue Hörer für das Orchestergenre zu begeistern.

So hat sie beispielsweise bei Konzerten zu Harry Potter, Star Wars, Pixar Filmen wie Coco und The Little Mermaid mitgewirkt. In Zusammenarbeit mit dem Danish National Symphony Orchestra nahm sie Filmmusik für „The Morricone Duel“ auf, einem weltweit ausgestrahlten Konzert rund um Filmmusik von Ennio Morricone.

Die Grammy-Nominierten 2024 – Ein Blick in die Vergangenheit

Grammys

Es ist Grammy-Season!

Um die Grammys mit Euch gemeinsam zu feiern, haben wir in unserem Shop viele Grammy-Gewinner und nominierten Alben der letzten Jahre für Euch heruntergesetzt!

Die 66ten Grammy Awards rücken näher und wie jedes Jahr, bringen sie spannende Nominierungen mit sich. Hier bei uns findet ihr eine Übersicht und spannende Infos zu den diesjährig nominierten Titeln, die mit Immersive Audio bei uns erhältlich sind.

Am 4. Februar ist es so weit. In den fünf nominierten Werken in der Kategorie „Best Immersive Album“, sind in diesem Jahr unter anderem Größen wie Alicia Keys und der God of War Ragnarök Soundtrack vertreten – aber leider noch nicht als Blu-ray erschienen. Nominiert sind:

  • Ryan Ulyate – Act 3, gemischt von Michael Romanowski und Ryan Ulyate
  • George Strait – Blue Clear Sky, gemischt von Michael Romanowski und Chuck Ainlay
  • Alicia Keys – The Diary Of Alicia Keys, gemischt von Michael Romanowski, George Massenburg und Eric Schilling
  • Bear McCrearys God Of War Ragnarök Soundtrack, gemischt von Michael Romanowski und Eric Schilling
  • Madison Beer – Silence Between Songs, gemischt von Sean Brennan, Mike Piacentini und Aaron Short

Aber auch in anderen Kategorien gesellen sich einige bekannte Namen zu den Nominierten, die Kennern des immersiven Klangs durchaus bekannt sein dürften:

Morten Lindberg, ein häufig-gesehener Gast der renommierten Awards, hat es erneut auf die Liste der Nominierungen geschafft, dieses Mal in der Kategorie „Klassik Produzent des Jahres“. Damit hat Morten Lindberg seine 35. Grammy-Nominierung erhalten – eine beeindruckende Zahl.

Die meisten dieser Nominierungen hat er vor allem in den Kategorien „Best Immersive Album“ und „Best Engineered Album“ erhalten. Bis er 2020 endlich seinen wohlverdienten Grammy für „Best Immersive Album“ für das Produzieren des Klassik-Albums „Lux“ gewann, galt er mit beachtlichen 28 Nominierungen als der am meisten nominierte Künstler ohne einen Gewinn. Dieses Jahr nominiert ist er als Produzent für folgende Alben:

Wir drücken ihm fest die Daumen für den 4. Februar, wo er hoffentlich als Klassik-Produzent des Jahres abräumen darf.

Morten Lindberg
Morten Lindberg
John Williams
John Williams: Live in Vienna – Foto von Deutsche Grammophon

Wer auch auf keiner Grammy-Verleihung fehlen darf, ist er: John Williams.

Er gilt als der erfolgreichste Filmkomponist der Welt und hat Soundtracks für über 100 Filme komponiert. Stücke, die heute jeder kennt, wie die bewegende Filmmusik zu Star Wars, Harry Potter und Jurassic Park. Insgesamt hat er bereits 25 Grammys gewonnen.

Auch in diesem Jahr könnten ihm bei der kommenden Verleihung mehrere Grammys winken. Seine Soundtracks für „Indiana Jones and the Dial of Destiny“ und „The Fabelmans“ sind beide für einen Grammy in der Kategorie „Best score soundtrack for visual media” nominiert und sein Stück „Helena’s Theme“ aus dem fünften Indiana Jones Film ist als beste Instrumentalkomposition im Rennen.

John Williams hat mit diesen neuen Nominierungen nun sage und schreibe 76 Grammy-Nominierungen gesammelt und ist damit der sechst-meist nominierte Künstler in der Geschichte der Verleihungen.

Natürlich gibt es John Williams Musik nicht nur auf der Kinoleinwand zu genießen – Unter anderem schreibt er beeindruckende Konzertsymphonien, ist Ehrendirigent des Boston Pops Orchesters und arbeitet mit Spitzenorchestern wie den Berliner Philharmonikern, dem Boston Symphony Orchestra, dem New York Philharmonic, den und auch den Wiener Philharmonikern zusammen gearbeitet.

Aber nicht nur im Klassik-Bereich geht es hoch her – Der Song „Angry“ vom neusten Album der Rolling StonesHackney Diamonds“ ist für einen Grammy in der Kategorie bester Rock-Song nominiert.

Man könnte meinen, dass eine Band so langlebig und legendär wie die Rolling Stones vermutlich in Grammys schwimmt. Aber tatsächlich sah es an der Front für eine lange Zeit ganz anders aus: Insgesamt haben die Rolling Stones bisher nur drei Grammys verliehen bekommen. Für ihr Album „Voodoo Lounge“ als bestes Album, für ihr Musikvideo zu „Love is Strong“ und einen Preis für ihr Album „Blue & Lonesome“ als bestes traditionelles Blues-Album.

Da haben die Grammys aber einiges nachzuholen. Denn: vor 1979 gab es noch keine Rock-Kategorien in der Award-Show, was weltbekannte Rolling Stones Hits wie „Paint it Black“ und „(I can get no) Satisfaction“ von den Nominierungen ausgeschlossen hat. Dafür haben sie in 1986 einen wohlverdienten Lebenswerk-Award von der Akademie verliehen bekommen. Und das Lebenswerk der Rolling Stones ist noch nicht vollendet – Deswegen hoffen wir, dass „Angry“ den Rock-Preis ergattert und sich in die lange Reihe von Erfolgen eingliedert. Dann muss auch niemand angry sein.

 

Natürlich wünschen wir allen nominierten Künstlern viel Erfolg und freuen uns auf eine weitere großartige Verleihung voller musikalischer Vielfalt!

The Rolling Stones
The Rolling Stones - Pressefoto

Interview mit Giles Martin

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“Blu-ray is the best way to listen to immersive audio.”
giles martin
Giles Martin
Musikproduzent

Wir durften mit dem britischen MusikproduzentenKomponisten und 
Multiinstrumentalist Giles Martin im Interview über seine Arbeit, besonders auf seine Erfahrungen mit immersivem Audio bezogensprechen.

Martin ist der Leiter der Abteilung Audio und Sound bei der Universal Music Group und war verantwortlich für immersive Mischungen wie “Abbey Road” von The Beatles und “Goats Head Soup” von The Rolling Stones. 

Durch deine Familiensituation wurdest du mit der Arbeit in Aufnahmestudios bereits im jungen Alter konfrontiert. Könntest du uns einen Einblick in deine Biografie geben, wie du deinen Weg zur Musik gefunden hast?

Als Sohn von Musikproduktionslegende George Martin hatte der heute Einundfünfzigjährige schon immer Kontakt mit Musik und Musikstudios. 

“Ich kenne Aufnahmestudios bereits seitdem ich zwei oder drei Jahre alt war, weil ich da immer drinnen rumgelaufen bin – mein Vater hatte ein Studio im Oxford Circus in London, das Air studios, und ich habe ihn da immer besucht. Ich weiß noch, dass ich das Studio viel besser fand als sein Büro, weil es einen Kakao-Automaten gab und viel cooler war. Also, anders als die meisten Kinder, kannte ich Musikstudios bereits.” 

Aber zunächst sah es nicht so ausals würde Giles Karriere in die musikalische Richtung führen – diese wollte sein Vater von Anfang an nicht für ihn. 

“Ich wäre Autodesigner geworden, war gut in Physik und Kunst. Aber dann habe ich mich in die Musik verliebt, als ich so elf oder zwölf war. Ich habe mich ins Schreiben und das Klavier verliebt. Doch mein Vater wollte auf keinen Fall, dass ich mit Musik meinen Lebensunterhalt verdiene. Ich weiß noch, als ich mit vierzehn zu ihm sagte: “Ich will Musik machen” und er nur antwortete: “Du bist einfach nicht gut genug” und ich habe gedacht: “Das werde ich dir zeigen.”” 

Als George Martin langsam sein Gehör verlor erinnert sich Giles: 

“Ich war quasi seine Ohren und habe für ihn gehört. (…) Er hat niemandem gesagt, dass er taub wurde, aber zum Ende seines Lebens hin war er ziemlich taub. Und so habe ich gelernt was Frequenzen und Kompressionen und all diese Dinge sind. Ich hatte eine Phase, in der ich dachte ich würde Musik schreiben und komponieren und das mach ich zum Teil auch noch, aber ich glaube Gene und Umstände trafen aufeinander und brachten mich zu dem, was ich jetzt mache.” 

Einen berühmten Vater zu haben bedeutete für Giles Martin, dass er, besonders zu Beginn seiner Karriere, genau beobachtet würde.

“Es war als hätte ich ein Mikroskop auf mich gerichtet (…) – du durftest nicht Durchschnitt sein. Du konntest entweder keinen richtigen Job finden und machst jetzt das, was dein Vater gemacht hat, oder du bist sowas wie ein Wunder und irgendein Genie, es gibt kein Dazwischen. Und du lernst damit umzugehen und den Leuten zu sagen, dass du eben doch einfach durchschnittlich bist und nicht nur eins oder das andere. Aber ich glaube auch, ohne jegliche Frage, dass ich ein riesiges Privileg und Möglichkeiten hatte.” 

Da es zurzeit mit der Covid19 Situation sehr schwierig ist, wie erlebst du die Situation in deinem kreativen Umfeld?

Während dem ersten Lockdown baute Martin sich ein Heimstudio und sagt, er hat viel großartige und kreative Arbeit dort geleistet, “eben, weil ich eingesperrt und ohne Ablenkungen war. 

Aber es hat den Arbeitsprozess auch isolierter gemacht. 

“Ich vermisse den kollaborativen Prozess; Ich vermisse es in einen Raum zu gehen um etwas zu hören oder andere Leute in den Raum kommen zu haben und zu sehen, wie sie auf das, was ich mache, reagieren. (…) Du merkst wirklich wie etwas klingt, wenn du die Reaktion anderer siehst. Und, weil du diese Reaktion zurzeit nicht hast, weißt du es nicht so richtig. Du arbeitest in einer Blase und das ist schwierig.” 

Martin sagt auch, dass die meisten kreativen Projekte, wie Filme, Alben und sogar eine Broadway Show, in das nächste Jahr verschoben wurden, was dazu führe, dass “weniger Kreation passierte.” 

Kreation, die normalerweise in den berühmten Abbey Roads studios stattfinden würde. 

Abbey Road studios sind für uns ein magischer Ort. Wie war es für dich in diesen Studios zu arbeiten?

“Sobald du es für selbstverständlich ansiehst, dass du in diesem tollen Gebäude, wo mit die beste Musik bemacht wird, bist, solltest du nicht da sein. Sobald du denkst, dass du es verdienst, solltest du nicht da sein. Und deshalb versuche ich jeden Tag spaßig und kreativ zu gestalten. Mein Vater war genauso. Wir retten keine Menschenleben, wir löschen keine Feuer, wir arbeiten in einem Luxussektor. Musik ist wichtig, aber es ist nicht wie Wasser oder Nahrung, also sollten wir sie romantisieren und genießen und uns glücklich schätzen. Hoffentlich fühlen das auch die Menschen, mit denen ich arbeite.” 

Das Musikhörerlebnis hat sich von Mono zu Stereo zu Mehrkanal entwickelt. Zu Beginn des Jahrtausends war die SA-CD bereits ein Medium, das Mehrkanalsound zu erleben ermöglichte, aber es hat im Markt nie Fuß gefasst. Mit den neuen immersiven Formate, sowie Dolby Atmos, scheint dies anders zu sein. Immer mehr Produkte werden dementsprechend gemischt und auf Blu-ray veröffentlicht. Was waren deine Erfahrungen, als du anfingst Produktionen in Dolby Atmos zu mischen?

Ich würde zurück zu 5.1 gehen. Ich finde, dass 5.1 und Dolby Atmos sich sehr ähneln in ihren Prozessen – Dolby würde da wahrscheinlich widersprechen. Ich würde sagen meine erste wirkliche Erfahrung mit immersivem Audio war die LOVE Show und das LOVE Album [The Beatles]. Das war das erste 5.1 Album und tatsächlich eines der besten, die wir gemacht haben. Das lag daran, dass ich ein Theater in Las Vegas mit 7000 Lautsprechern bauen durfte. Ich habe also quasi Dolby Atmos gemacht bevor Dolby Atmos Dolby Atmos gemacht hat. Wir hatten einen Raum mit Lautsprechern in der Decke, Lautsprechern in den Sitzen und Lautsprechern in der Bühne. (…) 

Dann bin ich zurück ins Abbey Road gekommen und habe ein 5.1 Album darauf gemacht und fand es einfach schön. Es war ein schöner Arbeitsprozess; es war schön jemanden in die Musik hineinzuversetzen. (…) 

Als Dolby Atmos erschien, war ich ziemlich früh dran. Ich glaube ich habe das erste Dolby Atmos Album gemacht und zwar Sgt. Pepper’s, das wir als theatralisches Stück geplant haben, aber nicht veröffentlich wurde, ich habe es als Experiment gemacht. (…)  Für mich war es eine Weiterführung der LOVE Show, ich habe dasselbe gemacht. Ich habe ein immersives Soundfeld kreiert.” 

Martin erklärt weiter, dass man aufpassen muss, wenn man mit neuen Technologien wie Dolby Atmos arbeitet, dass man “kein Sklave der Technologie” wird und die Technik nicht nutzt, weil es möglich, sondern weil es sinnvoll ist. 

Er fügt auch hinzu, dass der Arbeitsprozess nicht nur mit der Technologie ist, sondern ein interaktiver Prozess mit anderen Menschen. 

“Und das Tolle an meinem Leben und den Menschen, mit denen ich arbeite, ist, dass wir anderer Meinung sind. Bob Clearmountain, der ein guter Freund von mir ist, mischt gerne den Gesang rechts oder links und das mag ich nicht, ich mag es, wenn der Gesang der Mittelpunkt der Performance ist. Und keiner von uns beiden hat Recht, ich finde er ist einer der besten Mischer überhaupt, aber wir sind uns einfach uneinig.” 

Martin sieht das immersive Audio als Möglichkeit, Hyperrealität zu erstellen, bei Mischungen von “EDM und verrückten Sachen, aber wenn du eine Stimme und eine Gitarre hat, dann ist es für Reflektionen gut.” Er fügt hinzu:

“Blu-ray ist der beste Weg, um immersives Audio zu hören.”

Giles Martin
©Alex Lake. Giles Martin ist Experte für immersiven Sound und empfiehlt zum Musikhören Blu-ray.
Du wurdest zum Leiter von Audio und Sound bei Universal ernannt. Streaming ist der meistgenutzte Weg, heutzutage Musik zu konsumieren. Die Qualität der Studioaufnahmen, Mehrkanal Optionen miteingeschlossen, sind für die meisten Konsument*innen nicht zugänglich. Das physische Mediaformat Blu-ray bietet eine tolle Alternative, Musik zu Hause in höchster Qualität zu genießen. Wie siehst du die Entwicklung zwischen Streaming Abonnementmodellen und den alten Verkaufsprodukten, auch mit dem Aspekt der zukünftigen Finanzierung der Musikproduktion?

“Ich denke, das erste, was ich sagen würde, ist, dass die Konsument*innen es noch nie so gut hatten, sie haben viele Optionen. Wir alten Leute weinen der guten alten Zeit hinterher, aber die gute alte Zeit war gar nicht so gut. Jetzt kann ich auf meinem Smartphone alle Musik der Welt hören und genießen. Und ich glaube nicht, obwohl ich Befürworter und Experte der Audioqualität bin, glaube ich nicht, dass schlechte Audioqualität den Genuss eines guten Songs zerstört. Wir haben früher AM Radio und Kassettenspieler gehört und deren Sound ist schlimmer, als der meines Handys. Aber du konntest dich auch in ein Lied aus dem AM Radio verlieben.” 

Martin geht dann ins Detail zur Zukunft der Musikproduktion: 

“Die Musikindustrie muss verstehen, dass Bequemlichkeit gewinnt. Das können wir nicht ändern, die Bequemlichkeit der Konsument*innen gewinnt. Also müssen wir diese Bequemlichkeit mit Technologie abdecken. (…) Ich denke die Technologie wird das Niveau höher bringen – so wie sie das immer schon mit Television, mit Handys und allem anderen gemacht hat – und so denke ich die Blu-ray wird in eine Situation kommen, wo sie sich an die Ausgangsquelle anpassen muss, von der sie gehört wird. (…) Und mit der Zeit wird sich das verbessern und die Produkte werden sich verbessern. 

Was ich nicht möchte, ist Leuten sagen “Das solltest du nicht hören, das ist schlecht”, weil das nicht wahr ist. Die Menschen sollten so Musik hören, wie sie es wollen und das werden sie auch. Also denke ich, um eure Frage zu beantworten, ich möchte – und das ist mir sehr wichtig – ich will, dass Leute [tollen Sound in Musik] in ihrem zu Hause hören können. Und ich glaube, da kommen wir hin, es wird immer besser. Also bin ich daran interessiert, dass Menschen toll klingende Musik hören, ohne zu merken, dass sie es tun. (…) Was wir wirklich wollen, ist, dass es jeder genießt.” 

Musikaufnahmen, die von Anfang an immersiv konzipiert wurden, werden sicherlich die Zukunft der Musikaufnahmen beeinflusse. Was denkst du sind die wichtigsten Punkte, um ein optimales Resultat für ein immersives Audioprodukt zu erhalten?

“Es kommt auf die Art von Musik an. Wenn es echte, also Performances oder Bands, ist, würde ich sagen, das Wichtigste ist es, den Raum einzufangen. So, dass du dich fühlst, als wärst du mit dem Künstler in einem Raum. Es ist wichtig die Wände einzufangen. Fang die Performance so gut ein wie es geht, so wie immer, aber stell auch sicher, dass du die Wände mitnimmst. Das wäre die Regel, würde ich sagen. 

Und, wenn es um EDM und Tanzmusik und nicht-echte Musik geht, ist es eine Frage des Sicherstellens, dass die Balance und Beziehung zwischen dem, was du im Spektralraum hast und dem, was du im räumlichen Raum hast, dich nicht überfordert und ablenkt.” 

Das The Beatles Album Abbey Road ist eine der Arbeiten im Dolby Atmos Format. Wie fandest du den Prozess und das Resultat von den originalen Aufnahmen zu den immersiven Sounddimensionen auf Blu-ray?

Lachend antwortet Martin: “Ich meine, offensichtlich finde ich es gut, sonst könntet ihr es nicht hören!” 

Dann erzählt er vom Arbeitsprozess von Abbey Road: 

“Es gibt keine Audioperfektion. (..) Wenn man beispielsweise “Golden slumbers” von Abbey Road nimmt, oder dem ähnlich “You never give me your money”, welche Orchester beinhalten, nur eine Monoaufnahme mit einem Orchester, und die sind durch einen TG-Tisch gegangen und wurden komprimiert und haben diesen kleinen tutigen Sound – es ist kein großer Sound, es klingt nur groß, weil wir die Freiräume füllen – für das Stereoformat ist das toll, weil du eine schönklingende Aufnahme bekommst. Aber es ist nicht perfekt, sodass, wenn du es für Dolby Atmos auseinandernimmst, du sichergehen musst, dass man diese Imperfektionen nicht raus hört, aber das Erlebnis noch dasselbe ist. Und so machen wir die Dinge oft weniger perfekt, als sie sind, damit das Gefühl der Aufnahme dasselbe ist. 

Ich gebe euch ein Beispiel, das ich zum Glpck früh gelernt habe: Ich habe “I am the Walrus” für LOVE gemischt, der erste Beatles Song, den ich vor um die vierzehn Jahren gemacht habe, und ich dachte einfach es war super! Und dann habe ich mir das Original angehört und es klang furchtbar, aber es klang besser – denn es war klaustrophobisch, es hatte dieses Gefühl. Und das ist die Sache, es ist wie bei Gemälden. Tolle Gemälde sind nicht unbedingt genaue Abbilder des Gegenstands und das ist bei Aufnahmen genauso. Und deshalb möchte ich, dass der Dolby Atmos Mix wie ein Schleier um einen ist, der einem bekannt vorkommt, aber gleichzeitig erlebt man etwas ganz anderes. 

Mit Abbey Road stimmt von Beginn an das Meiste, aber ich möchte, dass das Atmos Erlebnis einen einhüllt. Wir nutzen viele Techniken, aber die essentielle DNA des Songs bleibt bestehen. Ich möchte, dass es Abbey Road ist, aber mehr als das, was du kennst.” 

Der neue Mix auf Blu-ray ist zusammen mit einem neuen Stereo-Mix und zwei zusätzlichen CDs mit 23 bisher unveröffentlichten Session- und Demo-Aufnahmen als limitierte Super Deluxe Edition “Abbey Road – 50th Anniversary” erschienen – hier in unserem Shop erhältlich.

Martins immersiver Mix ist Teil der Abbey Road - 50th Anniversary Edition.
Der Soundtrack “Rocketman” als Musikfilm wurde von dir produziert und erschien in Mehrkanal Mischungen, auch in Atmos. Wie anders ist der Arbeitsprozess von reinen Studioalben zu Musik- oder Konzertfilmproduktionen?

“Auf eine Weise war Rocketman mehr wie die LOVE Show, weil ich Sounds dafür kreiert habe. Und so konnte ich Sachen machen, wie bei dem Lied Rocketman, eine große Produktionsnummer, wo Taron, der Elton spielt, in einem Pool Selbstmord begehen will, seinen Magen ausgepumpt bekommt, dann auf die Bühne geht und schließlich in ein Flugzeug hochfliegt. Ich habe dafür zwei komplette Orchester genutzt. So kreiere ich ein Soundfeld, von dem ich weiß, dass ich es in den immersiven Raum setzen kann, anstatt es zu bekommen – der Unterschied ist wie beim Kochen, wenn du die Zutaten bekommst um etwas zu machen, oder wenn du dir die Zutaten selber suchst. (…) Als er in das Wasser taucht, habe ich diesen Effekt, wenn deine Ohren klicken nachgestellt, weil ich wusste, dass man es im Raum bemerkt. Und ich habe Walgeräusche hinzugefügt, man kann sich einfach austoben.” 

Während Martin auf der einen Seite mehr Freiheit für Experimente mit Sound hatte, trug er für Rocketman auch mehr Verantwortung. 

“Es war herausfordernder, weil ich mit Rocketman komplett für alles verantwortlich bin, was passiert, aber es gibt mir auch eine Palette zum Arbeiten. Und ich habe zu Dexter, dem Direktor gesagt: “Hör zu, lass mich einfach mal machen und das Spaßige an Musik ist, dass ich es erst komplett falsch mache und dann mach ich alles richtig!”” 

Der Film Rocketman mit Martins Soundtrack ist auf Blu-ray hier in unserem Shop erhältlich!

rocketman
Martin ist für den Soundtrack zu Rocketman verantwortlich.
Die derzeitige Rolling Stones Veröffentlichung Goats Head Soup ist auch über dein Mischpult gegangen. Was sind die Unterschiede und Herausforderungen dabei, Aufnahmen von Künstlern wie The Beatles oder The Rolling Stones in ein neues immersives Hörerlebnis zu verwandeln?

“Jeder einzelne ist anders, jedes Album ist anders und jeder Song ist anders. (…) Für die Rolling Stones (…) hatte jemand schon etwas für das Album gemischt und Mick kam vorbei und ich, als Audio-Leiter bei Universal, hörte es mir mit ihm an. Es war sehr sauber, sehr genau und er sagte: “Das ist nicht besonders Rock’n’roll, oder?” Das war, weil es zu breit gemacht wurde, wenn du es zu breit fächerst verlierst du den Kick und The Rolling Stones, besonders dieses Album, muss dir in den Hintern treten. (…) 

Das Stones Album ist interessant, weil es nie dafür aufgenommen wurde, ein high-definition Audioerlebnis zu werden. Es ist eine Band, die in Jamaica spielt, viel trinkt, das Mikrofon ist überall, einfach eine Herausforderung! Wenn du dir das originale Album anhörst, klingt es cool aber es ist sehr Lo-Fi. (…) 

Weil es Rock’n’roll ist, sind die Frequenzgänge riesig, selbst komprimiert, und deshalb ist es die Herausforderung diese Aggression zu behalten, aber (…) es immersiv zu machen. Natürlich gibt es ein paar Songs, die da gut zu passen und dann gibt es Lieder wie “Star star”, wo du denkst: “Das ist einfach ein Rock’n’roll Song!” Dann möchte ich mich so fühlen, als würde die Band gerade mit mir im Raum sein und performen, ich möchte da so nah ran, wie es geht.” 

Die Audio Blu-ray mit der immersiven Version ist Teil der Limited Super Deluxe Edition von “Goats Head Soup”, die außerdem Alternativ-Mixe, seltene Aufnahmen, drei bislang unveröffentlichte Tracks, einen Live-Mitschnitt des Albums “The Brussels Affair” und ein Foto- und Storybuch enthält – ebenfalls hier bei uns im Shop erhältlich.

Rolling Stones goats head soup
Martins immersiver Mix ist Teil der Super Deluxe Edition von Goats Head Soup.
Wie lange dauert es vom ersten Hören zum finalen Master? Was ist der Prozess dieser Remixes zeitlich gesehen?

“Es kommt auf den Song an; allgemein gesehen schaffen wir ein Lied in Stereo an einem Tag. Wenn es sowas wie The Rolling Stones, The Beatles oder andere legendäre Künstler*innen sind, muss man sicher gehen, die Aufnahme nicht schlechter zu machen. (…) Es dauert ungefähr einen Tag für Stereo und dann weniger Zeit um Atmos und 5.1 zu machen. Und dann brauche ich Jahre um Alles zu prüfen, weil ich so bin. Als Person bin ich sehr locker, aber vor den Lautsprechern – manchmal bereiten die Leute, mit denen ich arbeite alles vor, und ich ändere alles daran. 

Sam Okell, der mit mir an den Beatles Sachen gearbeitet hat und ein toller Ingenieur ist, sagt immer: “Ich wusste, dass dir das auffallen würde!” Und das ist Teil des Prozesses und führt zurück zu eurer vorherigen Frage: Das vermisst du während des Lockdowns, du vermisst die Zusammenarbeit.” 

Abschließend wollen wir dich fragen, wie denkst du wird Musikaufnahme in der Zukunft aussehen, in einer Welt die immer mehr digital interaktiv wird?

“Ich befürchte, dass Leute es übertreiben werden. Da war ein Ingenieur bei Abbey Road, der achtzehn Mikros auf eine Harfe gerichtet hat. An sowas glaube ich nicht, das ist nicht in meiner DNA. Ich würde ein Mikrofon, vielleicht ein Stereopaar, vor eine Harfe stellen. Ich necke Sam, mit dem ich Rocketman gemacht habe, immer wegen seiner vielen Mikrofone und stecke sie alle aus. Ich möchte diese Optionen gar nicht, sie lassen Dinge nicht besser klingen. Direktheit ist immer gut, das brauchen wir. Wenn alles zerstreut klingt, haben wir nichts, um uns daran festzuhalten. So hören wir nicht im echten Leben. (…) 

Was sich verbessert hat, sind Playback und Lautsprecher und Mehrkanäle, aber der Aufnahmeprozess hat sich seit 1966 nicht groß verändert. Die andere Sache, die dem allen einen Strich durch die Rechnung macht, ist, dass du einen tollen Sänger in ein Shure sm58 singen lassen kannst und es wird besser klingen, als ein schlechter Sänger durch ein Neumann 48 – das ist einfach so. Eine erfolgreiche Band ist letzten Endes eine erfolgreiche Band. (…) 

Wir Nerds, wir können über Kompressoren, Mikrofone und alles andere diskutieren, aber es sind die Künstler*innen, die einen guten Song gut machen.” 

Interview mit Schiller und Daniel Brune von laserfabrik

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Wir haben Christopher von Deylen aka Schiller erneut bei uns im Livestream – diesmal zusammen mit dem Lasershow-Experten Daniel Brune von laserfabrik. Die beiden arbeiteten für Schillers Arena Tour zusammen und kreierten ein einzigartiges Erlebnis aus Audio und Visuellem. 

Laserfabrik hat neben der Show mit Schiller auch beispielsweise Lasershows für The Voice of Germany, Festivals wie Parookaville und Tomorrowland oder die David Guetta Show im Louvre ausgerichtet und zählen damit zu den weltweit führenden Unternehmen für Licht- und Lasertechnik, sowie Spezialeffektanwendungen. 

Schiller sprach bereits in unserem letzten Gespräch darüber, wie wichtig ihm das Licht und die Effekte bei seinen Shows sind, weil er damit den Raum und das Publikum darin besser erreichen und emotional abholen kann. 

Diese Wirkung hat auch der immersive Klang, den wir auf den Blu-rays mit Dolby Atmos festhalten – bei Produktionen wie Schillers “Summer in Berlin” auch visuell begleitet von Licht- und Lasereshows. Deshalb freuen wir uns auf ein Gespräch über das Zusammenspiel von Musik und Licht bei Live-Konzerten und Videoaufzeichnung.

Christopher und Daniel haben sich 2017 bei der Preisverleihung LEA in Frankfurt kennengelernt und gemeinsam die Frage beantwortet: “Wie kann man versuchen Musik und Laser enger zusammen zu bringen?” Daraus entstand die Liveshow zu “Berlin Moskau”, die auch auf Schillers Album “Summer in Berlin” in Dolby Atmos zu erleben ist.

Zuvor hatte Christopher Lasern eher kritisch gegenübergestanden, da er sie lange nur als Showeffekt ähnlich der Konfettikanone kannte – bis er auf laserfabrik traf, die ihre Lasershows besonders auf Live Musik im Konzert und auf Festivals ausrichten. 

Mittlerweile ist Christopher davon begeistert, wie Laser die Farbe und Stimmung von der Bühne bis in den Raum bringen können. Daniel erklärt:

“Laser sind von Natur aus ein 3D Medium, der Laserstrahl schafft Räume.”

Für Daniel war das Besondere an dem Projekt mit Christopher, dass laserfabrik die Freiheit zur kreativen Entfaltung in einem erstmal völlig leeren Raum gegeben wurde. Auf die Frage “Was ist denn noch so da an Technik?” bekam er ein einfaches “Nichts” als Antwort. Denn Christopher ging davon aus, je weniger konventionelles Licht in dem Raum ist, desto mehr Platz hat der Laser

“Es entstehen tolle Möglichkeiten, wenn man dem Laser den Raum überlässt.”

Um die dadurch besondere und ungewöhnliche Stimmung in die Lasershow zu übernehmen, musste Daniel zunächst Grundstrukturen ausprobieren, die in dem Raum und mit der Musik funktionieren. Erst dann, erklärt er, könne man sich um Details und farbliche Abstimmungen kümmern. 

Dabei wurde nur wenig von der Lasershow vorprogrammiert – laserfabrik kannte nur die Musikstimmungen von “Berlin Moskau” zur groben Orientierung. Stattdessen wurden die Laser genauso live bespielt, wie die Musik, was einen einzigartigen Live-Moment kreierte. 

Mit diesem Vertrauen in den Gegenüber, dass die Erwartungen und Vorstellungen an das Projekt erfüllt oder gar übertroffen würden, ließen beide Seiten sich genug Freiheit, um sich gegenseitig mit Dingen zu überraschen, mit denen der andere nicht gerechnet hatte. 

Daniel spricht die große Stärke von laserfabrik an, spontan zu reagieren und auf die entstehende Stimmung einer Liveshow einzugehen. Darauf wiederum gehen die Musiker*innen ein, die die sich durch die Laser verändernde Atmosphäre wahrnehmen und in ihrer Musik umsetzen. Daraus geht ein Zwiegespräch zwischen Musik und Lasern hervor, das einen einmaligen Moment aus Klang, Visuellem und Atmosphäre entstehen lässt. 

Christopher erwähnt aber auch die Schwierigkeit, das richtige Maß zu finden es nicht zu perfekt haben zu wollen, um die spontane Stimmung nicht “kaputt zu reparieren”. Deshalb haben sie das Stück “Berlin Moskau” zweimal gespielt und aufgenommen. 

Christopher beschreibt das Gefühl im Laserraum seine Musik zu performen als “traumhaft”:

“Man hat das Gefühl man ist umgeben von einer Laserhülle und denkt immer, man kann das anfassen!”

Daniel erzählt, dass sie für diesen kleinen Raum, der zur Verfügung stand, einmalig viele Laser, er schätzt ca. 60, verwendet und sogar durch Spiegel nochmal multipliziert haben. Dadurch waren einzigartige Lichtbilder möglich, ohne, dass die Künstler oder Kameras gestört wurden.

Denn Daniel erklärt auch, dass Laser immer noch sehr gefährlich sind und man besonders darauf achten muss, keinen in die Augen zu treffen. Außerdem muss man je nach Standort Flughafennähe und die umliegende Natur beachten und, bevor man da Tier oder Mensch schadet, technische Einschränkungen hinnehmen. 

Christopher und Daniel stellen ein baldiges neues Projekt von Schiller und laserfabrik in Aussicht, das bereits im Werden sei und Christopher sagt abschließend über den interessanten, aufschlussreichen MusicTalk: 

“Ich rede ja gerne und viel über Musik, aber es ist auch schön (…) mal einen Einblick zu zeigen, was da Alles dazugehört.”