Von der Filmproduktion zur Musik: Eric Horstmann über seine kreative Arbeit mit Immersive Audio

Eric Horstmann bei der Arbeit im Studio

Die Musik ist in seiner DNA – Eric Horstmann lässt uns einen Blick hinter die Kulissen seines Studios werfen und erzählt uns von seinen Anfängen und wie er den Start von immersiven Audio-Technologien wie Dolby Atmos erlebt hat. Wir sprachen mit ihm darüber, wie er half, das Format zu etablieren, über die Feinheiten des Abmischens und fragten ihn, wo er die Zukunft der Musikindustrie sieht. Das Interview führte Christoph Diekmann.

Hallo Eric und herzlich willkommen zu unserer Interviewreihe über immersive Mischstudios und kreative Engineers.

Vielen Dank fürs Einladen!

Sehr, sehr gerne.

Erzähl uns doch gerne kurz, wie dein Weg bis zu deinem Start als Mixing Engineer war. Du hast Sound Engineering studiert, aber hast nicht direkt damit gestartet, richtig?

Das stimmt. Vor über 20 Jahren habe ich meinen SAE (School of Audio Engineering) abgeschlossen und dann ist es ja nachher immer so ein Glücksspiel – landet man in der Branche oder nicht? Der Abschluss ist heutzutage leider nicht unbedingt super hochwertig anzusehen. Aber man beißt sich dann so durch. Ich habe erst damit angefangen, diverse Praktika in klassischen Musikproduktions-Umgebungen zu machen. Ich war im Trixx Studio in Kreuzberg und habe dort unter anderem mit Leuten wie The Who, Manfred Mann und Udo Lindenberg aufgenommen. Da waren immer mal ein paar lustige Leute, die vor allem vorbeikamen, wenn sie gerade auf Tourstopp in Berlin waren.

Ich habe dann aber relativ zügig meinen Weg in die Filmpostproduktion gefunden und habe tatsächlich auch über zehn Jahre lang in der Filmpostproduktion gearbeitet. Als kleiner Techniker im Audiotransfer – damals hat man noch viel mit Bildbändern gearbeitet, mit Perforation und mit Filmrollen und dem ganzen Kram – das gibt es ja heute so alles nicht mehr. Und dann kam ich aber immer weiter, habe verschiedene Stationen durchlaufen, so dass ich dann 2012 bei Rotor Film in Babelsberg in der Lage war, das erste deutsche Dolby Atmos-Studio für den Mischkino- und Postproduktionsbereich zu bauen.

Zu der Zeit war das Format noch in der Beta und da haben wir quasi alle Kinderkrankheiten von Atmos hautnah miterlebt. Das hat uns viele graue Haare beschert, aber seitdem bin ich schon mit diesem Format verbunden. Und da haben wir natürlich auch die ersten deutschen Kinofilme in Dolby Atmos gemischt. Und, wenn ich richtig informiert bin, haben wir den ersten europäischen, nativen Dolby Atmos-Mix für einen Kinofilm erstellt. Zu der Zeit gab es ja oft nur 5.1.- oder 7.1.-Fassungen. Da ist man höchstens beim Mischen nochmal ein Stück zurückgegangen, hat sich ein paar Elemente herausgenommen, um die dann als Objekt zu nutzen, aber wir haben tatsächlich den ersten deutschen, europäischen Film, nativ in Dolby Atmos gemischt – from scratch. Und das war sehr nerven- und zeitaufreibend, aber ich glaube, es hat sich gelohnt – zumindest die gesammelte Erfahrung.

Welcher Film war das?

Der hieß „Lost Place”. Es war eigentlich ein kleiner Film, der im Pfälzerwald spielt. Da geht es um eine unsichtbare Bedrohung im Sinne von Schallwellen – und das Thema einer unsichtbaren Bedrohung kann man tonlich natürlich total toll erzählen. Aber sagen wir mal so, wenn ich heute den Mix höre, dann denke ich mir schon: “Hm, da würde ich heute einige Sachen anders machen.” Wir haben das komplette Orchester um den Schauspieler gedreht und solche Spielereien – technisch alles möglich. Ob es wirklich kreativ sinnvoll ist, betrachtet man heute vielleicht noch einmal anders. Aber wir konnten viel lernen und haben viel mit dem Format experimentiert und seitdem hänge ich drinnen.

Ein paar Jahre später kam Dolby Atmos ja auch in den Musikbereich. Du hast in 2019 mit Immersive Lab gestartet und warst damit in Berlin auch ziemlich früh am Start mit dem Thema. Wie kam es dazu?

Das war im Prinzip die Passion. Der Grund, aus dem man irgendwann in dieser Branche landet, ist oft der, dass man irgendeinen Bezug zur Musik hat. Entweder man ist aktiver Musiker, man ist aktiver Hörer oder irgendwie klanglich und musikalisch interessierter Mensch. Ich wollte ursprünglich eigentlich Jazz und Popularmusik für Gitarre studieren, habe aber festgestellt, dass ich eigentlich viel zu schlecht dafür bin. Und da habe ich mir gedacht: “Gut, gehe ich eben hinter die Kulissen”. Das war so mein Grund, überhaupt in diese Szene zu kommen.

Das heißt, Musik war für mich schon immer Teil meiner DNA und mir schon immer sehr wichtig.

Eric Horstmann im Studio
Foto von Gunnar Wolf

Ich habe immer in Bands gespielt, habe tausend Musikprojekte gehabt, habe auch selbst einiges an Musik veröffentlicht. Und dann kam Dolby Atmos auf und ich dachte mir: “Ja super, jetzt bringe ich mein technisches Wissen aus dem Kinobereich mit der Passion für die Musik zusammen und erzähle den Leuten mal, was das ist und was man damit für schöne Sachen machen kann.”

Das hat zu dem Zeitpunkt natürlich niemanden interessiert, fairerweise. Also, das war damals einfach viel Gequatsche und viel Klinkenputzen und die Fahne hochhalten für eine Kunstform, zu der zu der Zeit noch keiner wusste, dass er sie vielleicht irgendwann braucht oder ihn zu interessieren hat. Ich war relativ früh mit am Start, denn wie gesagt – ich wollte es einfach, ich hatte da einfach Bock drauf. Ich habe dann auch viel Zeit, Geld und Energie investiert, das Leuten schmackhaft zu machen, vorzuspielen, Test-Mixe zu machen, Leute ins Studio einzuladen und so weiter. Der ganze klassische Werdegang wie für viele, die in dem Zeitraum angefangen haben, sich mit dem Thema zu befassen. Aber ich war einer der Früheren, das stimmt schon, mit ein paar Kollegen aus München.

Was sind deiner Meinung nach die Vorzüge von Immersive Audio gegenüber Stereo?

Ich würde gerne, von meiner Seite aus, erstmal mit einem Vorurteil aufräumen. Viele Leute sagen, dass Immersive Audio Stereo ersetzen wird – das glaube ich nicht. Es wird eine schöne zweite Fassung neben Stereo werden – und das ist es ja schon. Es ist wichtig, dass es parallel ein Premiumsegment gibt, neben der klassischen Stereofonie, ja. Aber ich kann mir nicht die Tagesschau in Atmos vorstellen. Objektbasiert vielleicht, aber nicht wirklich immersiv.

Der größte Vorteil ist einfach: Die Musik spielt sich nicht mehr nur vor dir ab, sondern du bist mitten drinnen. Je nach Qualität der Mischung kannst du es erreichen, den Zuhörer mitten in dein Musikstück reinzusetzen. Und unterm Strich ist es ja so: Was wollen die Künstler, was will der Produzent? Aber eigentlich – was will der Musiker? Am Ende des Tages will der Emotionen transportieren. Mit Emotionen kriegst du die Leute dazu, deine Musik zu hören, sie vielleicht auch zu kaufen, vielleicht auch aufs Konzert zu gehen. Und ich finde Immersive Audio, obwohl es sehr technisch ist, ist ein sehr emotionales Tonformat. Emotional in dem Sinne, dass du den Zuhörer mitten in dein Inneres lässt. Musik zu machen heißt ja auch immer, ein Stück dein Innerstes nach außen zu kehren, das kann etwas sehr Intimes sein. Und wir haben die Möglichkeit, eben auch akustisch und technisch sehr intim damit umzugehen.

Und eine Sache finde ich auch noch wichtig: Immersive Audio hilft den Leuten, wieder anzufangen, bewusst Musik zu hören. Also diese Zeiten, wo du dir eine Platte gekauft hast, sie aufgelegt hast und dich in deinen Sessel gesetzt hast, die waren eine Zeit lang vorbei, die kommen jetzt wieder. Mit Immersive Audio hast du auch die Möglichkeit, die Leute wieder dazu anzuhalten: Hör mal hin. Setz dich mal, nimm dir die fünf Minuten, hör dir das Stück an, oder nimm dir die Stunde und hör dir das ganze Album an. Du wirst nicht mehr nur beschallt von irgend einer Tröte rechts und links, wenn du irgendwo bist, Hauptsache es plärrt irgendwas – sondern es hilft tatsächlich, sich wieder ein bisschen bewusst dieser Kunstform anzunehmen und nochmal genau hinzuhören, was der Künstler uns eigentlich mit ihr sagen möchte.

Und wie hast du dein Studio ausgestattet, um das umzusetzen?

Natürlich folge ich den technischen Spezifikationen, die Dolby auch herausgebracht hat. Das heißt, bei mir gibt es ein 7.1.4. Lautsprecher-System. Mein Raum ist jetzt nicht irre groß, ich habe 21 Quadratmeter, aber es klingt sehr, sehr gut, er ist akustisch gut hergerichtet. Und bei mir ist es wichtig zu sagen, dass gerade die Deckenlautsprecher in der Dolby-Spezifikation hängen – aber nicht zu 100 Prozent, sondern zu vielleicht 80. Sie hängen eigentlich ein bisschen zu weit außen, sodass ich tatsächlich auch ein bisschen AURO-3D mit abdecken kann. Es gibt ja eine Möglichkeit von der starren Positionierung eines Lautsprechers im Raum ausgehend, die beiden Formate so zu gestalten, dass du beide Formate bestmöglich als Kompromiss nutzen kannst. Und das habe ich hier so gemacht. Es gab auch kleine bauliche Hindernisse, ich hab nämlich eine schräge Decke hier, weil ich auf dem Dachboden von ehemaligen Stallungen bin, das heißt, die räumliche Situation konnte ich eh nicht ändern, und dann hat es sich eben so ergeben, dass wir es hier so machen.

Das Wichtigste ist erstmal, dass du ein 7.1.4. Lautsprecher-System hast, in meinem Fall ist das von Genelec. Und ansonsten gibt es verschiedene Tools für Peripherie, die du nutzen kannst – ich arbeite auf Protools-Basis. Es gibt andere, die arbeiten mit Nuendo oder Logic Pro oder andere Optionen. Das Schöne ist, am Ende fragt niemand mehr, mit welchen Tools du gearbeitet hast, sondern jeder beurteilt nur noch das Ergebnis und das ist mir eigentlich am liebsten. Der Weg dahin ist unterschiedlich unter den Kollegen, aber wir probieren doch alle irgendwie das gleiche Ziel zu erreichen.

Die Produkte, die du bisher gemischt hast, die kommen ja aus vielen verschiedenen Genres. Vermehrt sind sehr stark Pop- und Elektro, aber auch Rap-Werke bei dir vertreten. Gibt es da irgendeine favorisierte Stilistik für dich, wo du sagst: „Das ist meine Musik, hier fühle ich mich Zuhause!“ ?

Ja, gibt es schon. Ich bin eigentlich ein sehr musikalisch offener Mensch, also ich höre mir alles an, ich hab früher in einer Hardrock-Numetalband gespielt, habe aber ein elektronisches Musikprojekt und arbeite auch sehr eng mit House Labels zusammen. Meine persönliche musikalische Bandbreite ist sehr breit, ich kann mir alles anhören, ich finde auch alles irgendwie cool. Wenn ich jetzt für meine Arbeit spreche, naja, irgendwann entwickelt man seine eigene Signatur, auch als Mischer. Die Kollegen, die viel im Jazz und Klassikbereich unterwegs sind, die haben relativ eigene Praktiken und Techniken, die sie anwenden, wo man dann schon irgendwann vermutet, dieses Werk muss aus der Richtung kommen – und so ist’s dann auch.

Ich bin sehr, sehr eng mit elektronischer Musik verbunden. Das liegt natürlich auch daran, dass Berlin ein guter Ort für elektronische Musik ist. Es ist ein bisschen das Epizentrum hier, und ein großes Hub für elektronische Musik. Und, wie du ja auch weißt, dann ist da noch meine Verbindung zu Mobilee Records – die ist auch freundschaftlicher Natur, wir sind schon sehr lange befreundet. Da kommen ganz tolle Produkte aus dem Label, die sich meiner Meinung nach bestens für das Format eignen. Und deswegen haben wir ja auch festgesetzt, dass jetzt alles, was bei Mobilee passiert, in Atmos passiert.

Eric Horstmann bei der Arbeit im Studio
Foto von Gunnar Wolf

Ist der Mischansatz für dich je nach Genre anders? Oder gehst deine Arbeit grundsätzlich gleich an?

Sagen wir es so – meine technische Organisation, meine Pro Tools Templates sind erst mal identisch, egal welches Genre, aber es gibt natürlich Unterschiede darinnen, wie ich damit umgehe. Das beste Beispiel sind immer Vocals: In der elektronischen Musik, gerade wenn es House oder Techno ist, spielen Vocals lange nicht so eine wichtige Rolle wie zum Beispiel im Rap. Im Rap stehen die Vocals im Mittelpunkt. Und dann hast du natürlich andere Möglichkeiten, wie du mit Vocals umgehst. In der elektronischen Musik denkst du dir: “Jo, da wird irgendein Sample sein, irgendwas quietscht da mal vorbei” und da ist es nicht so wichtig von wo, da kannst du ein bisschen freier damit umgehen. Beim Rap dagegen ist es natürlich wichtig, dass es da irgendwo einen Anker gibt.

Ich bin da relativ offen und ich betrachte eigentlich jeden Song erst einmal für sich.

Ich höre mir an, was es in dem Song für spannende Elemente gibt, gibt es irgendeine schöne Textzeile, was will der Song mir eigentlich für eine Geschichte erzählen, was ist die Dramaturgie? Denn am Ende ist ein Stück Musik wie ein Stück Film, es folgt auch einer Dramaturgie, hat Spannungsbögen, und die probiere ich ein bisschen für mich herauszulesen. Es kann sein, dass ich sie anders interpretiere, als sie gemeint waren, aber dann ist das so ein bisschen meine Farbe, die ich da mit reinbringe. Deswegen – jeder Song wird erst mal beurteilt, wie er ist und dann gucke ich, was meiner Meinung nach am besten passt.

Hast du dabei zu Beginn immer Stereo als Referenz gegeben?

Nein, nicht immer. Ich habe tatsächlich einige Projekte, da gibt es gar keinen Stereomix. Da mischen wir zuerst in Atmos und machen dann daraus einen Downmix. Der wird dann leicht modifiziert und daraus entsteht dann die Stereo-Fassung. Aber leider noch zu selten – ich wünsche mir das öfters.

Wie sieht denn das Ausgangsmaterial für deine Mischung aus? Sind die Künstler und Produzenten offen dafür, dir möglichst viele Spuren zu geben? Wir haben ja auch schon von Fällen gehört, wo ein paar Stems geschickt wurden und daraus soll dann Atmos gezaubert werden. Wie ist das so bei deinen Kunden oder Partnern?

Mittlerweile ist es so, dass ich über die Jahre einen relativ guten Draht zu den Leuten aufgebaut habe. Das heißt, sie verstehen schon, was ich brauche und was ich nicht brauche und was ich gern hätte, damit wir gemeinsam einfach ein gutes Produkt kreieren können.

Und es gibt manche Kunden, die mir alles schicken, was ich brauche, und die wissen es mittlerweile auch. Wenn es ein neuer Kunde ist, dann schicke ich in der Regel erst mal ein PDF-Dokument vorab und bitte, sich möglichst nah an diesem zu orientieren. Da steht alles drinnen, was ich gerne hätte, damit ich einen möglichst smoothen Atmos-Mix gewährleisten kann.

Aber es ist tatsächlich mittlerweile so, dass es immer besser wird. Die ganzen Stereo-Produzenten verstehen langsam – nicht 100-prozentig, aber sie kriegen schon mal eine Idee dafür, was Atmos ist und was man dafür braucht. Manche meiner Kunden haben ihren Stereo-Workflow über den Haufen geschmissen, um einfach von vornherein die Files so auszulegen, dass sie später auch für einen Atmos-Mix passen. Das ist natürlich ein Luxus.

Sagen wir es mal so – bei den Majors passiert das nicht. Bei den Indies hat man die Chance. Und deswegen bin ich ein großer Freund davon, mit Indie Labels zu arbeiten. Die Kommunikationswege sind kürzer, die Motivation ist größer und deswegen kriegt man tatsächlich auch öfters mal einen Kollegen ins Studio zum Hören und vielleicht sogar zum gemeinsamen Mischen.

Als Vertreter des physischen Formates der Blu-ray haben wir die schöne Situation, dass auf einem Blu-ray-Release oft Bildmaterial oder Multimedia-Inhalte mit veröffentlicht werden. Du bist ja aus dem Film in den Bereich gekommen – wie siehst du das Thema Visualisierung der Musik? Siehst du da viel Bewegung, dass sich das in diese Richtung auch entwickeln wird?

Grundsätzlich, glaub ich das schon. Ich kann jetzt nicht für die breite Pop-Masse sprechen. Ich weiß nur, bei mir in der Elektronik gehen Visuals eigentlich immer Hand in Hand mit der Musik. Die Künstler haben live oft Videowände hinter sich und da laufen ganz spezielle Visuals, die auf die Musik getimed sind, die auch per Timecode miteinander verkoppelt sind.

Dubfire oder Len Faki zum Beispiel. Die sind zwar im harten Techno-Bereich unterwegs, aber die beiden spielen auf Bühnen vor 15.000-20.000 Leuten und haben natürlich riesen Videowände um sich herum, wo ganz dezidierter Content schon für vorproduziert wurde. Die haben eigene Leute, die sich um die Visuals kümmern und das macht natürlich Spaß, wenn man in richtung Blu-ray geht, dann hat man nämlich diese Einzigartigkeit der Musik gekoppelt mit den Visuals, die du sonst nur erleben kannst, wenn du auf ein Konzert oder in den Club gehst.

Das ist natürlich eine spannende Geschichte, wenn du sowas miteinander verbindest. So ein konventionelles, normales Musikvideo ist nett, das funktioniert, aber das gibt es ja zur Not auch auf Youtube. Aber diese Visuals sind meiner Meinung nach ein echter Mehrwert, denn die siehst du nicht, wenn du nicht auf dem Konzert bist.

Und das ist auch ein bisschen meine Vision – und das probier ich auch den Leuten immer zu sagen, wenn das Thema Blu-ray aufkommt – und es kommt immer öfter auf, das muss ich sagen.

Wenn du eine der Mischungen, die Du erstellt hast, besonders hervorheben könntest, welche wäre das?

Es gibt so ein paar, auf die ich schon recht stolz bin und die höre ich mir auch gerne an – und ich freue mich natürlich, dass die bisher auch gut ankamen.

Moderat kann ich da zum Beispiel nennen. Ich habe das letzte Moderat-Album “More D4TA” gemischt. Das war relativ verhalten, würde ich sagen, wenn es darum ging, den immersiven Raum auszunutzen. Aber ich glaube, die Band und ich haben es gemeinsam geschafft, das für sie genau richtig zu machen. Du kriegst eine riesengroße, technische Spielwiese und kannst völlig durchdrehen, wenn du willst, aber es muss ja auch songdienlich sein – eben dem Künstler dienen und ins Konzept passen.

Ich glaube, die Platte von Moderat ist sehr schön geworden. Auch die beiden Rodriguez Jr. Alben, “Bliss” und “Feathers & Bones” sind sehr schön geworden, die gibt es ja auch auf Blu-ray.

Aber das zeigt meiner Meinung nach wieder, dass die besten Mischungen auch die sind, wo man irgendwie in ner engen Verbindung zum Künstler ist. Und nicht nur als Dienstleister am Ende einer Excel-Liste, sondern wirklich mit den Künstlern in Kontakt ist, über Kreativität spricht, vielleicht auch einfach nur mit denen drei Stunden lang abhängt und einen Kaffee trinkt, einfach, um die auch kennenzulernen. Und Rodriguez Jr. kenne ich jetzt seit fast vier Jahren, wir sind sehr eng befreundet, dementsprechend sind wir da im ständigen Austausch. Und ich habe den Eindruck, das merkt man dann auch in seiner Komposition, in den Sachen, die er mir übergibt, und an dem, was ich dann gemeinsam mit ihm erstelle.

Und bei Moderat war’s genauso. Wir haben auch viel Vorarbeit geleistet, die Band und ich, einfach nur zu quatschen und zu überlegen: Wie machen wir’s? Was wollen wir? Was will die Band? Was kann ich beitragen? Und das sind dann die Produkte, die meiner Meinung nach sehr schön werden, weil da auch irgendwie Herz dran ist.

Wenn man es wirklich als kreativen Prozess sieht, und nicht einfach als eine Mischleistung, die irgendwann passiert, weil sie passieren muss. Wenn man sich einfach sagt: Das ist einfach diese Spielwiese, dann ist  das letztendlich ein neues Element in dem ganzen Klangerlebnis der Komposition.

Und wenn wir das etabliert bekommen und ausgereizt bekommen, sind wir auf einem guten Weg, glaube ich, weil das einfach zu einer ganz anderen Hörerfahrung führt.

Deswegen ist es mir ja auch so wichtig – und vielen anderen Kollegen auch – Kontakt zum Künstler zu haben.

Vielleicht auch eine Hörsession zu machen, ohne zwingend eigene Produkte anzuhören, sondern einfach um zu sagen: “Hier, ich zeig dir mal was, wie findest du das?” Einfach auch, um abzuchecken, wie weit ich gehen kann. Dass ich das System bedienen kann, das habe ich bewiesen und jetzt ist die Frage, wie kriege ich die Kunst darein?

Ich bin immer ein großer Freund vom Austausch. Und ich habe jetzt ein paar Projekte, da kenne ich die Künstler noch nicht. Wir haben uns jetzt tatsächlich über Instagram kennengelernt und ausfindig gemacht, und haben gesagt, wir treffen uns mal auf eine Hörsession. Das geht in den Neoklassikbereich, gemischt mit Elektronik, das sind ganz tolle Sachen – wer weiß, vielleicht sprechen wir da nochmal drüber. Aber da sind wir so früh dran, dass noch nichts produziert ist, auch kein Stereo. Ganz frisch. Und wer weiß, vielleicht können wir da von vornherein ein bisschen was machen.

Gibt es noch andere kommende Projekte, über die du schon sprechen kannst?

Tatsächlich ist es momentan ein bisschen ruhig, muss ich wirklich sagen. Es ist nichts Großes in petto. Ende Februar kommt das neue Album von Thomas Lemmer. Das ist ein sehr schönes Projekt, das in die Richtung Downtempo Ambiente Electronica geht. Das ist ein gemeinsames Projekt mit Oine, einem Produzenten aus Spanien.

Worüber ich schon sprechen kann, zumindest in Teilen, ist, dass es ein Crossover-Projekt mit der Deutschen Grammophon geben wird. Fragments II nennt sich das. Da gab es die Idee, klassische Stücke von der französischen Komponistin Lili Boulanger von Elektro-Musikproduzenten- und Künstlern re-interpretieren zu lassen. Einer der Künstler, der angefragt wurde, war Rodriguez Jr. Und so kamen wir auch dazu, im Prinzip das komplette Projekt zu betreuen, zumindest was die Atmos-Mischung angeht. Und da sind ganz verschiedene Künstler dabei: Rodriguez Jr., Niklas Paschburg, il:lo, JOPLYN, Anja Schneider – sehr viele bekannte Größen aus der elektronischen Musikszene. Und da wird jetzt Schritt für Schritt immer eine Single von released, und gegen September oder Oktober ist das Album dann vollständig.

Es war ein wundervolles Projekt und ich freue mich sehr darauf, wenn das irgendwann das Tageslicht erblickt. Es ist sehr viel Arbeit da hineingeflossen, aber es ist wirklich toll geworden.

Dann danke ich dir für Deine Zeit.

Eric Horstmann
Foto von Gunnar Wolf

Gerne!

Wer Lust hat mich zu erreichen, kann das dann auch tun über die Kanäle:

www.instagram.com/immersive_laboratories

www.immersive-lab.com

Ich freue mich über jeden Kontakt – alles für die Kunst.

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