Boris Blank im Interview – Tauche in seine Soundwelt ein: Zur Entstehung von „Resonance“ und mehr

Boris Blank im Studio mit Stefan Bock & Stefan Zaradic

Yello-Komponist Boris Blank hat sich zum Release seines Solo-Albums „Resonance“ mit uns für ein Interview zusammengesetzt. Hier erzählt er von der anspruchsvollen Gratwanderung zwischen seiner eigenen Identität in der Musik und der Auftragsarbeit für „Resonance“, die Inspiration, die das Thermalbad gegeben hat, wie es war, seine eigene Musik in 3D zu hören und wohin die  musikalische Reise in die Zukunft gehen wird… Das Interview führte Christoph Diekmann.

Boris, am 16. Februar erscheint dein drittes Soloalbum „Resonance“. Wie war es für dich, diesmal musikalisch kein Yello-Album zu konzeptionieren?

In diesem Fall war das musikalische Thema ein komplett anderes. Es ging hier darum, etwas Chilliges, Meditatives zu konzipieren, da ich die Musik ursprünglich für den Wellness-Bereich eines Thermalbads kreiert habe, wo die Leute sich entspannen wollen.

Aber ansonsten ist die Situation eigentlich dieselbe wie in den letzten 45 Jahren: Ich mache, wie auch bei Yello, die Musik. Natürlich unterscheidet die Musik auf „Resonance“ sich von dem, was wir mit Yello machen, da es eine Instrumental-Platte ist. Bei Yello kommt die Musik von mir und wenn sie fertig ist, zeige ich sie Dieter, der dann dazu eine Figur erfindet und dann als Protagonist durch diese Klangwelten schreitet.

Was war also das Besondere bei der Entstehung von „Resonance“?

„Resonance“ war für mich fast schon eine Gratwanderung. Die Musik war, wie gesagt, für ein total abgedunkeltes Thermalbad gedacht – mit einem Firmament bestehend aus LEDs, einer Liegeinsel mit einer riesigen Projektionsfläche an der Decke und zwei Stockwerken Wintergarten. Da war klar, dass ich mich nicht in die „Kitsch-Ecke“ oder in eine esoterische Richtung drängen lassen wollte und da irgendwelche Panflöten und Harfen einbaue. Vielmehr hatte ich den Anspruch, eine gewisse Dramaturgie in jedem Stück aufzubauen und eine Art Reise zu gestalten, in die die Leute hineingezogen werden.

Aber natürlich nicht so, dass die Defibrillatoren an den Wänden zum Einsatz kommen: Das Ganze ist mehr oder weniger gemächlich, es gibt zwei oder drei Uptempo-Nummern, gemäß den Themen, die ich als Auftrag erhalten habe. Das sind Facetten, die im weitesten Sinne dem Mikrokosmos des Wassers in sämtlichen Aggregatzuständen angehören.

Es gab Themen und Facetten, die von der Firma FORTYSEVEN vorgegeben worden waren.  Im weitesten Sinne waren es Themen wie „Rock Bottom“, also der Fels, das Material der Erde, oder „Cosmos“. Ein weiteres war „Gravity“, das Auflösen der Gravitation, das Schweben. An diese Themen habe ich mich so weit wie möglich gehalten und versucht, ihnen musikalisch entgegenzukommen, ohne dabei meine DNA zu verlieren.

Boris Blank - Resonance

Und auch Mario Botta, der Architekt, war für mich ein weiterer wichtiger Grund, bei dem Projekt dabei zu sein, denn er ist ein sehr angesehener Architekt. Ich durfte sogar den Archäologen bei ihren Ausgrabungen zuschauen, als sich das Thermalbad noch im Rohbau befunden hat. Da konnte ich sehen, wie die ursprünglichen Quellen noch von römischen Mauern umfasst wurden – von vor mehr als 2000 Jahren.

Ist aus diesem Gebäude und der Entstehungsgeschichte dann auch Inspiration gekommen? Warst du während des Bauprozesses vor Ort und hast auf dieser Grundlage nochmal Stücke verändert, bis dann die fertige Komposition und Aufnahme stand?

Auf jeden Fall. Ich stand ja auch in engem Kontakt zu dem Team, das die Filme produziert hat, die in den Räumen an die Decke projiziert werden. Da gab es immer wieder Sitzungen. Sie haben sich sogar, wenn ich das so sagen darf, eher meiner Musik angepasst, weil es einfacher war, die Bilder nach diesen Rhythmen zu schneiden, als umgekehrt.

Man wollte das ganz bescheiden in Stereo anrichten. Und ich sagte: „Wenn es ein Erlebnis sein soll, dann muss es unbedingt immersiv stattfinden.“ Dafür haben sie die Wand-Verkleidungen ändern müssen, um zusätzliche Lautsprecher platzieren zu können – und zwar wirklich viele.

Stefan Bock und Stefan Zaradic haben diese dann über ihr SpatialSound Wave Tool dreidimensional angesteuert und konnten sie dann darüber adressieren und Sounds zu verschiedenen Lautsprechern schicken, sodass der ganze Raum eben letztlich auch von den Klängen durchflutet wird. Dass die Klangwelt immersiv gestaltet wurde, war eine ganz wichtige Entscheidung – und hat die Betreiber leider ein bisschen Geld gekostet.

Boris Blank mit Stefan Bock & Stefan Zaradic
Boris Blank im Studio mit Stefan Bock und Stefan Zaradic

Das war ja auch nicht deine erste Zusammenarbeit mit Stefan Bock und Stefan Zaradic. Das Yello-Album „Point“ haben sie in München gemischt. Auch „Resonance“ wurde bei Stefan Bock im Studio für Blu-ray finalisiert, und sie waren auch mitverantwortlich für die Installation und den Sound vor Ort. Wie gestaltete sich diese Zusammenarbeit konkret?

Für mich war das natürlich ein Ereignis, weil ich schon immer – so sagen mir Stefan und Stefan – zweidimensionale Musik gemacht habe, die in eine dreidimensionale, also immersive Welt passt. Ich will, dass die Hörer sich in die Soundlandschaft, in meine Klangwelt einfühlen und sie begehen können, um sich dort umzusehen.

Und das haben die beiden eben auch so empfunden. Ich schickte ihnen eine Referenz in Stereo – das war ihre Vorlage –, die Statik immer dort konzentriert, wo sie sein muss, und dann haben sie angefangen zu gestalten. Vertrauen in ihre Arbeit hatte ich schon durch „Point“. Von der Mischung war ich schon total angetan.

Ich glaube auch, dass dieses 3D-Mischen eine eigene Abteilung ist, in die ich mich gar nicht hineinbegeben möchte, weil das sehr komplex ist – das muss man können. 3D-Mischen ist nicht jedermanns Sache, aber die beiden können das sehr gut, sie haben jahrelange Erfahrung damit. Und ich werde dann überrascht, wenn ich nach München gehe, oder sie in die Zürcher Hochschule der Künste kommen, in der sie ein wunderbares, kleines Studio haben, das sehr gut ausgestattet ist, auch mit Dolby Atmos. Da öffnen sich mir ganz neue Horizonte, da ich dann meine eigene Musik mit neuen Ohren höre.

Außer ein paar kleinen Justierungen, die sie noch für mich machen, bin ich meist überglücklich mit dem Klang. Für mich ist das ein Ereignis, wie damals als kleiner Junge, der noch in Mono die Rolling Stones gehört hat – und dann plötzlich gab es Stereo und von links kommt das Schlagzeug und rechts die Gitarre. Jetzt ist es eben so, wie es immer schon sein sollte – nämlich, dass Musik dreidimensional klingt, wie wir auch zum Beispiel auf der Straße das Leben hören.

Bist du so von Dolby Atmos infiziert, dass du schon beim Komponieren eine 3D-Vorstellung vom Sound hast?

Nein, überhaupt nicht. Das ist ja das, was sie über die Musik von Yello sagen: Sie sei immer schon prädestiniert dafür gewesen, die Klänge und Spuren unterschiedlich im Raum zu platzieren. Als meine Tochter noch im Kindergarten war oder später zur Schule ging, kamen bei Elternabenden Mütter oder Väter zu mir und meinten: „Ich mag Yello ja sehr, aber ich kanns nicht mehr hören, mein Junge hört den ganzen Tag eure Musik.“ Da ist irgendwas Spielerisches, was den Hörer eben klanglich hineinschauen und immer mehr Dinge entdecken lässt. Und deswegen glaube ich, dass unsere Musik für 3D-Klang sehr gut geeignet ist.

Davon bin ich überzeugt. Ich präsentiere immer gerne eure Scheibe bei unseren Vorführungen – wir machen eine Roadshow, Visions of Sound, wo wir jedes Jahr in 25 Städten zum Händler einladen, um dieses immersive Erlebnis denjenigen Konsumenten vorzustellen, die es möglicherweise noch nicht kennen. Und da ist Yello immer in der Playlist.

Super! Hast du „Resonance“ schon gehört in 3D?

Ich habe es leider noch nicht hören können.

Es ist ein Erlebnis. Es gibt ein Stück, das du dir merken musst, das heißt „Time Bridges“. Du kennst das, wenn du Gänsehaut kriegst, von oben bis in die Sohle. Das Stück ist wie wenn du dich in einem Magnetfeld bewegst. Du kannst die Konturen der Magnetfelder fast schon anfassen, das ist unglaublich. Das hat etwas Magisches, da bleibt wirklich die Zeit ab und zu stehen. Wegen der Konvergenz, wenn sich diese monotone Basslinie immer wieder wiederholt – und plötzlich bist du in etwas drin, das dich physisch total mitreißt.

Magst du noch zwei oder drei andere Szenen aus dem Album beschreiben? Was erwartet uns da?

Es dreht sich um Räume, die für mich immer schon wichtig waren, daher auch der Albumtitel „Resonance“. Es gibt einen ganz großen Raum, nämlich den Weltraum, auf den ich Bezug nehme. Das Solebad hat die anmutige Stimmung eines Firmamentes, also war meine Überlegung, ein 15-20 Minuten langes Stück zu machen, mit einem Höhepunkt in der Mitte, die Essenz sozusagen. Die Leute gehen alle fünfzehn Minuten rein und wieder raus, und das Ziel war, dass es so viele Leute wie möglich erleben können. Das ist das Titelstück „Resonance“ auf dem Album.

Dann kam eine Anfrage von einer Post-Production Firma aus London, die Special Effects u.a. für Batman und James Bond machen. Sie waren im letzten Sommer von der NASA beauftragt worden, einen dreiminütigen Trailer mit NASA-Footage zu erschaffen. Diese Firma bat dann wiederum mich, ein Musikstück zur Verfügung zu stellen. Dafür habe ich dann diese drei Minuten aus der Szene vom Solebad ein bisschen überarbeitet und zum Mischen in ein Dolby-Atmos-Studio nach London geschickt. Der Schweizer Thomas Zurbuchen war zu der Zeit der oberste Entwicklungschef der NASA, er hat das Milliardenbudget auf seinen Schultern getragen und dieses Projekt ermöglicht. Mit ihm war ich im Kontakt, habe ihm das Stück geschickt, und er hat sehr nett geantwortet, dass es ihm gefalle, und er auf das Video gespannt sei. Leider hatte die Firma zu viele Aufträge, die sie fertig machen mussten und hat das Projekt letztlich in den Sand gesetzt.

Aber weil ich schauen wollte, wie es ungefähr aussehen hätte können, habe ich mich in ein paar Libraries bei der NASA eingekauft und Footage vom Weltraum von NASA-Satelliten heruntergeladen. Daraus habe ich selbst ein Video geschnitten, das ich der NASA natürlich nicht vorspielen würde, denn dafür ist es meines Erachtens zu simpel.

Insgesamt habe ich tatsächlich fünf Videos für das Album produziert, weil ich die Welt der Bilder für mich entdeckt habe. Zusammen mit Musik ist diese eigentlich naheliegend. Bildschnitt und Rhythmus sind extrem nah beieinander.

Zum Beispiel habe ich noch ein Video zu „Vertigo Heroes“ erstellt: Das erinnert mit seinen Zahnrädern ein bisschen an Fritz Lang und Metropolis. Ich ging dabei ähnlich vor wie bei meiner Musik. Ich fange immer mit einer Idee an, z. B. sagen wir mit einem Zahnrad, und dann kommt noch etwas dazu, und dann noch etwas, wie bei meinen Sounds. Und plötzlich zeichnet sich ein Umriss ab, der mir dann zeigt, wo die Reise hingeht – und genauso ist das auch bei den Bildern.

Dieter beschreibt dich ja als Maler mit deiner Musik. Um diese Klanggalaxien zu malen, wie hoch ist da der audiovisuelle Anteil von „Resonance?“ Gibt es zu jedem Track Grafik- und Videoinstallationen im Thermalbad?

Zu sechs Facetten, die da an die Decke projiziert werden, gibt es einzelne Stücke. Im Solebad läuft ein langes Stück, ebenso im Winterbad, das dann wirklich eine Reise um den Planeten und über die Steppen darstellt. Und wenn man dort in diesem Wintergarten mit Pflanzen und Schmetterlingen liegt, soll die Musik auch diese Atmosphäre begleiten.

Wenn du auf die Entstehungsgeschichte zurückblickst und im Zeitraffer diese Reise zu dem fertigen Werk beschreiben würdest, was waren die Herausforderungen und die kritischen Momente bei der Produktion?

Das ist schwierig zu sagen. Wie anfangs schon erwähnt, war es eine Gratwanderung, nicht zu sehr in den Kitsch zu rutschen: Es darf schon ein bisschen süß werden in gewissen Stücken, aber auf keinen Fall sollten dabei esoterische Assoziationen geweckt werden. Ich denke, da spielt eine gewisse Erfahrung aus den letzten 45 Jahren mit, dass ich einfach mein Ding machen kann und mich dabei nicht verbiege. Es muss mir ja Spaß machen und das ist mir in diesem Fall gelungen.

Der Austausch war etwas, das ich nicht gewohnt bin. Sonst bin ich wie ein Eremit immer alleine im Studio. Mich und meinen Prozess in diesem Fall mit Leuten zu teilen, die dann ihren Film daran anpassen und nach bestimmten Szenen fragen, das war neu. Da war aber nie ein Clash oder irgendetwas Unangenehmes. Es kamen dabei keinerlei Spannungen auf. Der Dialog war schlicht ungewohnt für mich, da ich sonst total abgeschottet von der Außenwelt arbeite.

Ich bin sehr gespannt. Im Infotext, den wir bekommen haben, ist schön formuliert, dass du den Planeten verlassen hast und wir im spacigen Orbit surfen. Auf diese Surfwelle freue ich mich schon sehr.

Ich sage mal, nehmt ein bisschen Ruhe mit und erwartet nicht die Popsongs, die man von Yello gewöhnt ist. Mit einem Hang zur Melancholie oder Meditation und Entspannung zur Musik kann euch das gefallen, denke ich.

Die DNA, die Wiedererkennung in den Stücken, das „Blanksche“ Ding ist in der Musik irgendwie zu erleben, sagte man mir. Man hört nach drei Takten: Das ist Yello – oder eben Boris Blank.

Vielen Dank für diese Informationen! Gibt es irgendetwas, an dem du gerade arbeitest, wovon du uns erzählen kannst? Ein neues Projekt vielleicht?

Bestimmt geht die Reise zurück auf die Hauptstraße –zu Yello natürlich. Ich habe vor Kurzem meinen alten Mac Pro total nach Artefakten durchforstet und seit teilweise 1997 lagern dort irgendwelche Ideen, denn ich arbeite ja, wie gesagt, wie ein Maler. Der hat dann so einige Bilder in seinem Atelier, die er in der Ecke abgestellt hat.

Da gibt es so Vieles: 70-80 Tracks, die angefangen sind und nie fertiggestellt wurden. Auch in den letzten zwei Jahren – gerade vor kurzem habe ich ein Stück komponiert, das auch wieder in die Auswahl für eine neue Vernissage von Yello kommen wird.

Super, wir freuen uns schon darauf! Sehr vielen Dank für deine Zeit für das Gespräch.

Ach, sehr gerne.

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