Dolby Atmos in elektronischer Musik

Im Rahmen der ELECTRO WEEKS haben wir uns in den letzten Wochen mit unterschiedlichen Künstlern über Dolby Atmos in elektronischer Musik unterhalten. Fritz Hilpert von Kraftwerk gab uns ein besonders ausführliches Interview über die Produktion immersiver Musik und Boris Blank von Yello erzählt von dem Gänsehaut-Moment als ihm das erste Mal Musik in Dolby Atmos vorgespielt wurde. Max Cooper und Christopher von Deylen AKA Schiller sprachen live mit uns über ihren Werdegang und die Möglichkeiten von immersivem Klang in der Musik. Alle sind sich einig: Dolby Atmos verändert die Musiklandschaft grundlegend und muss man erlebt haben.
Die Elektro-Pioniere Kraftwerk gewannen mit dem Livealbum 3-D Der Katalog den Grammy als „Bestes Dance/Electro-Album“. Es war das erste Kraftwerk-Album, das in Dolby Atmos erschien. Wir haben uns mit Fritz Hilpert über die Produktion dieser Platte unterhalten und darüber was Dolby Atmos in elektronischer Musik verändert.

Fritz Hilpert:
Immersive Audio war 2016, zu Beginn der Produktion, noch ziemlich frisch und kämpft auch heute darum, sich auf dem Musikmarkt zu verbreiten. Phänomene wie das Vinyl-Revival machen es nicht leichter.
Zuhilfe kommt allerdings der Heimkinosektor und die Tatsache, dass viele Filme in Dolby Atmos produziert werden. Das bringt mit der wachsenden Zahl an Atmos Soundbars schonmal die Technik ins Haus, über die man dann auch immersiv Musik hören kann.
Bei der Produktion von 3-D DER KATALOG wurde gänzlich auf die Nachbildung des Konzertsaals und auf jegliche Ambience verzichtet. Löst man sich einmal von der Vorgabe der Abbildung einer realen Situation tut sich ein ganz neuer Horizont auf, der dem Hörerlebnis Musik einen echten Mehrwert verleiht.
Die 3. Dimension, also die Einführung der Höhenlautsprecher spielt dabei eine wesentliche Rolle, als würde hier auch eine dritte emotionale Ebene eingeführt.
Somit ist diese Blu-ray als ein reines Studioalbum zu betrachten, allerdings unter Benutzung von Original- und Live-Tracks, um sowohl die Magie der Liveperformance zu erhalten, als auch die höchste Soundqualität.

„Ich würde mir wünschen, Musik tatsächlich so in einem Club zu erleben.“ – Fritz Hilpert

Fritz Hilpert hat auch den Dolby Atmos-Mix des neuen Booka Shade-Albums Dear Future Self gemacht. Im Interview erzählt er über Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Produktionsprozess im Vergleich zu Kraftwerks 3-D Der Katalog.
Das komplette Interview mit Fritz Hilpert von Kraftwerk gibt’s hier.

Fritz Hilpert:
Da es sich in beiden Fällen um rein elektronische Musik handelt, liegen die Gemeinsamkeiten auf der Hand. Allerdings spielt die Korrelation zum Bild  beim Booka Shade-Album keine Rolle, da es sich um eine Pure Audio Blu-ray handelt, wie auch schon beim 2018 erschienen Album Galvany  Street. Auch hier gibt es drei Tonspuren im Stereo,  Atmos und Binaural.
Während 3-D DER KATALOG aber viele musikalische Facetten bietet, ist Dear Future Self ein eindeutig Dancefloor-orientiertes Werk, gespickt mit sehr schönen Elektropop-Songs, wie z.b. Polar Lights oder I GO, I GO.
Ein visuelles Modell für die Gestaltung der Mischung gibt es dennoch. Durch die konsequente Verteilung von Rhythmuselementen und Keyboards in alle Richtungen fühlt man sich umhüllt vom Sound; wie auf einer Tanzfläche, um die herum sich mehrere DJs „battlen“. Dazu treten Vokalisten wie akustische Hologramme in den Raum.
Dear Future Self ist somit ein mutiger Ansatz weg vom mono maximal Druck zu einem dynamisch transparenten Clubsound. Ich würde mir wünschen, Musik tatsächlich so in einem Club zu erleben.

„Für mich ist Dolby Atmos vergleichbar wie damals die Umstellung von Mono auf Stereo in den 60er Jahren.“ – Boris Blank von Yello

Point ist das erste Yello-Album in Dolby Atmos. Boris Blank, der Mann hinter der Musik von Yello, hat uns im Interview erzählt wie sie auf Dolby Atmos aufmerksam geworden sind und was Dolby Atmos in elektronischer Musik und Musik allgemein bedeutet.
Das komplette Interview mit Boris Blank gibt’s hier.

Boris Blank:
Das war letztes Jahr im Februar. Da waren wir bei Universal und haben unsere Ideen eingebracht. Ein ganzer Tisch voller Leute saß da und dann hat Philippe König von der Katalogabteilung vorgeschlagen, dass Dolby Atmos doch interessant für uns wäre. Ich hatte damals noch keine Berührung mit 3D-Mischungen, war jedoch sehr angetan von der Idee.
Wochen danach wurde mir in der Zürcher Hochschule der Künste, in einem Dolby Atmos zertifizierten Kinosaal viele Beispiele von verschiedenen Interpreten in Dolby Atmos vorgespielt. Das war total überwältigend, und somit auch der initiale Funke, Yellos „Point“ vom Meister der Dolby Atmos-Klangwelt, von Stefan Bock von den MSM Studios in München, mischen zu lassen.
Stefan hatte mein volles Vertrauen, da ich noch keine Ahnung von 3D-Soundmischung hatte. Wochen später fand dann die Abnahme der Musik im selben Saal in Zürich statt.
Ich war sprachlos, Gänsehaut am ganzen Körper ein Erlebnis, das bleibt.
Für mich ist Dolby Atmos vergleichbar wie damals die Umstellung von Mono auf Stereo in den 60er Jahren.

„Ich denke immer noch, dass es ein zu wenig genutztes Werkzeug ist, man kann viel mehr damit machen und es ist eine aufregende Zeit, Teil davon zu sein.“ – Max Cooper

Wir haben uns mit Max Cooper im Live-Stream über sein Album Emergence unterhalten. Uns hat natürlich besonders interessiert wie er auf Dolby Atmos aufmerksam geworden ist und was ihn dazu bewogen hat Emergence in Dolby Atmos zu veröffentlichen. Das komplette Interview gibt’s hier.

Max Cooper:
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das erste Mal darauf aufmerksam wurde. Als Kind hatte ich Kassetten mit Dolby drauf, also war es immer in meinem Kopf als Firma. Ich wusste, sie waren die Leute, die High-End-Audio machten. Irgendwann kam es wahrscheinlich durch meinen Manager, er sagte, dass er mit Dolby im Kontakt war und von da an ging es einfach weiter. Ich baute eine sehr gute Beziehung zu den Jungs von Dolby in London und San Francisco auf. Außerdem hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits mit Raumklang experimentiert.
Das erste Raumklangprojekt, das ich je gemacht habe, war mit 4D Sound. Diese Jungs kommen ursprünglich aus Amsterdam, haben aber jetzt ihren Sitz in Budapest. 4D Sound ist ein weiteres objektbasiertes System, bei dem man Sound zu Lautsprechern schickt und dreidimensionale Strukturen aufbaut und diese Strukturen dann gemappt werden. Ich hatte also bereits Erfahrung mit diesem Konzept, ein Musikstück zu nehmen und es sich als physische Struktur vorzustellen und es auf ein objektbasiertes System abzubilden. Dolby Atmos war ein sehr natürlicher Übergang für mich.
Räumlichkeit ist genauso ein Teil der Musik wie Klangfarbe oder Melodie. Man kann musikalische Informationen in räumliche Strukturen einfügen und man kann mit Räumlichkeit Ideen vermitteln. Ich benutze sie als Ausdrucksmittel, nicht nur um Tricks zu machen.
Ich denke immer noch, dass es ein zu wenig genutztes Werkzeug ist, man kann viel mehr damit machen und es ist eine aufregende Zeit, Teil davon zu sein.

„Da war klar, dass das Format wahnsinnig viel Potential hat und, dass man eigentlich Musik speziell dafür machen müsste. “ – Christopher von Deylen AKA Schiller

Morgenstund war Schillers erstes Album, dass er in Dolby Atmos gemischt hat. Wir haben Ihn gefragt ob er beim Schreiben der Musik bereits über Räumlichkeit in der Komposition nachdenkt und was er von Dolby Atmos in elektronischer Musik hält.

Schiller:
Das hat sich verändert. Als ich das erste Mal in einem Kinofilm mit Dolby Atmos saß, kam da vielleicht mal ein Flirren von oben. Aus Sicht von Dolby hab ich das verstanden – nach Dolby Surround musste noch was kommen. Persönlich hab ich den Mehrwert aber gar nicht so erkannt. Dann gab es Morgenstund und ich hab überlegt, dass es doch interessant wäre mal zu gucken wie es wäre einige Stücke, die ich dafür geeignet hielt in eine Dolby Atmos-Welt zu bringen. Und ich war überrascht und fasziniert davon, was das für einen Unterschied macht. Was das auf einmal für einen Gestaltungsspielraum bietet, den man in Stereo, aber auch in Surround gar nicht abbilden kann.
Als ich da mit Bodo Schulte im Studio saß, als wir das gemacht haben, und man die einzelnen Gruppen an und ausschalten konnte – also Stereo, Surround und die Lautsprecher oben – da war der markanteste Unterschied wenn man die Lautsprecher oben ausgeschaltet hat. Da war klar, dass das Format wahnsinnig viel Potential hat und, dass man eigentlich Musik speziell dafür machen müsste.
Man kann das schwer beschreiben, man redet hier ja über etwas, was man wirklich erleben muss. Vielleicht kann man das bei einem Freund hören, der eine Dolby Atmos-Anlage hat, oder in einem Laden, wenn sie denn dann irgendwann wieder aufhaben. Gerade bei Musik ist da wirklich ein ungeheurer Unterschied, den man da erreichen kann.

Schillers neuestes Album Summer in Berlin enthält die Live-Lasershow „Berlin – Moskau“ in Dolby Atmos. Im Interview hat Christopher von Deylen uns erzählt wie er das Thema immersive Musik für seine Live-Shows in der Zukunft denkt.
Das komplette Interview mit Schiller gibt’s hier.

Schiller:
In dem oben beschriebenen Moment bei Morgenstund, als wir die Dolby Atmos-Stücke gemischt haben und ich gemerkt habe was das für einen Unterschied macht, wollte ich die 2019er Arena-Tour eigentlich in Atmos machen. Das war aber in einem Stadium als die Tour technisch schon durchgeplant war und es gibt an den Stellen wo man Lautsprecher hinhängen müsste in den Hallen gar keine Punkte an denen man die hätte befestigen können.

Ich kann mir das aber sehr gut vorstellen, wahlweise im Rahmen einer Tour, oder wenn ich an „Berlin – Moskau“ denke, vielleicht an einer Örtlichkeit die gar keine typische Konzerthalle ist. Ein Ort an dem neben Licht auch der Klang Teil der Architektur ist und man das einem großen Publikum zeigen kann.

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