Interview mit Schiller über Summer in Berlin

Christopher von Deylen alias Schiller sprach live mit uns und Patrick von grobi.tv über sein neues Album Summer in Berlin. Uns interessierte natürlich besonders was die exklusive Studio- & Heimkino Pure Deluxe Edition so besonders macht – Stichwort immersive Musik. Hier gibt es den Link zum Stream und danach den Mitschnitt als Video-on-Demand. Für alle die lieber lesen, gibt es die textliche Zusammenfassung des Interviews mit Schiller.

Magst du deinen Werdegang kurz schildern?

Ich hab mich immer schon sehr für elektronische Musik begeistern können und hab 1982 Tangerine Dream, Kraftwerk und was man eben sonst so hört wenn man mit elektronischer Musik sein Herz verbindet. Mein Traum war es immer mal diese Musik auch selbst machen zu können und dabei war es eigentlich immer am spannendsten für mich hinter den Kulissen zu werkeln. Ich wollte eigentlich nie auf die Bühne, wollte auch nie wirklich Künstler werden, sondern für mich war das eher spannend im Musiklabor, also im Studio entsprechend mich auszutoben.

Und das hab ich auch gemacht und dann habe ich angefangen in den Sommerferien Geld zu verdienen um mir dann ganz langsam so ein kleines Studio zusammen zu sparen und bin dann über ganz viele Umwege und Zufälle als Praktikant in einem Hamburger Tonstudio ein bisschen näher an die Musikbranche gekommen.

Bei den ganzen Musikern, die da aufgenommen haben, wurde ich da auch darin bestärkt eben nicht auf die Bühne zu wollen. Und nachts habe ich dann nach dem Prinzip „learning-by-doing“ mir versucht die ganze Technik anzueignen. Zu lernen was ein Kompressor ist, wie man das Mischpult benutzt und alles andere. Das eine ist ja das Musik machen und komponieren und das andere ist das Musik aufnehmen. Und so habe ich über viele Jahre das Handwerkszeug gelernt und mir selbst beigebracht. Ich habe auch viele Fehler gemacht, aber daraus lernt man immer am meisten. Alles was danach kam, fing 1998 an mit der ersten Schiller-Single „Das Glockenspiel“. Das ist immer noch wie ein Traum, ich kann das immer noch gar nicht richtig realisieren und es fällt mir auch immer noch schwer das selbst zu beschreiben, weil das so etwas autobiografisches hat, aber ich schaue ja viel lieber nach vorne. Das Wichtigste ist nach wie vor die Suche.

Ich mache eigentlich immer noch das was ich gemacht habe als ich in den Sommerferien in meinem kleinen Studio in Norddeutschland in der Provinz saß. Da habe ich mit dem DX21, ein vollkommen unbedienbarer Synthesizer, und einem kleinem Vier-Spur-Kassettengerät langsam angefangen die Stücke entstehen zu lassen. Aber eigentlich nur für mich aus Spaß an der Freude beziehungsweise aus Leidenschaft am Künstlerischen oder um die Musik zu machen, die ich gerne hören möchte, aber die man nicht kaufen kann. Also hab ich die selbst gemacht und das mache ich eigentlich immer noch. Und ich bin ganz glücklich, dass es so viele Menschen gibt, denen diese Musik auch gefällt. Das war nie der Plan auf der Bühne zu stehen, aber es macht mir mittlerweile auch sehr großen Spaß. Da bin ich sehr dankbar um die Treue und Neugier des Publikums.

Ursprünglich nicht vorgehabt zu haben vor Leuten zu spielen und jetzt doch vor Tausenden aufzutreten ist sicherlich eine besondere Entwicklung. Kannst du dich noch an deinen ersten Auftritt erinnern?

Meinen allerersten Auftritt hatte ich in Hamburg auf der Reeperbahn in einen kleinen Club, den es gar nicht mehr gibt. Das war zu Zeiten als das Album Weltreise gerade herausgekommen ist, 2001. Es gab damals auf Arte ein Format, das hieß Arte Tonight. Da wurden immer mehrere Künstler vorgestellt mit einem kurzen Konzert, das waren glaub ich so 45 Minuten. Ich wurde gefragt ob ich mir das vorstellen könnte, da hab erst einmal nein gesagt.

Die haben aber mit erhöhter Intensität nochmal angefragt ob das nicht wenigstens einmal eine Option wäre und da habe ich mich sozusagen überreden lassen. Dieser Schritt war damals für mich sehr schwer, weil man im Labor seine eigene Zeitrechnung hat; man kann vor sich hin werkeln und wenn man nicht weiterkommt, macht man am nächsten Tag weiter. Auf der Bühne geht das nicht, das muss immer funktionieren. Das war für mich eine große Umgewöhnung, weil ich auch gar nicht so gut Klavier spielen kann. Und für diese 45 Minuten musste ich auch ganz viele andere Sachen auf einmal lernen. Es war gar keine Frage, dass ich das einmal und nie wieder mache.

Und das war live und nicht mit Musikern?

Doch, das war schon mit Musikern. Da war sogar Gary Wallis bei, der hat mir dabei geholfen, diese Panik zu überstehen und sich das wirklich zu trauen, das zu machen.
Man hat das ja schon von anderen Künstlern gehört, dass das auf der Bühne so toll sei mit dem Publikum und der Energie und das war mir immer ein bisschen suspekt, weil ich das nicht kannte. Ich fand das so wie wenn Theaterschauspieler sagen, Theater ist viel besser als Film, weil das eben viel organischer und viel atmosphärischer ist. Das klang immer so aufgesagt, so unehrlich.

Und dann stand ich da in diesem kleinen Club vor vielleicht fünfzig, sechzig Menschen, die auch eingeladen worden sind. Da gab es keine Tickets zu kaufen, sondern man war froh, dass jemand gekommen ist. Und nach einer halben Stunde habe ich gemerkt, dass auf die Bühne gehen wie eine Achterbahnfahrt ist. Man hat Angst, man hat Panik und man hofft, dass alles gut geht und wenn man es dann überstanden hat, dann möchte man gleich nochmal fahren. Und das ist im Grunde die Antwort auf die Frage: wie ihr merkt, kann ich mich sehr gut an meinen ersten Auftritt erinnern.

Natürlich ist jedes Konzert ein bisschen wie das erste Konzert, denn auch wenn man lange probt oder eine lange Tournee macht wo die Setliste sich nicht jeden Tag ändert – es kommt vielleicht eine gewisse Erfahrung dazu, aber eine Routine wird es nie. Und wenn man merkt, dass man da so hingeht wie zur Arbeit, dann sollte man vielleicht damit aufhören.

Ich glaube wegen dieser Energie treten auch so viele Bands selbst im hohen Alter immer noch auf. Dieses Gefühl und diese Energie gibt es eben nur da, das kann man nicht streamen oder abspeichern. Ich habe mich darüber mal sehr lange mit Udo Jürgens unterhalten, der das ja auch im sehr hohen Alter noch gemacht hat – für den war das bis zuletzt das Lebenselixier. Und so muss es auch eigentlich sein.

Du hast letztes Jahr ja sogar wie im Autokino live vor Autos gespielt – wie war da die Interaktion mit dem Publikum?

Das kommt einem ja jetzt schon so vor, als wäre das ein anderes Leben gewesen. Da war es alles noch ganz frisch. Wir hatten ja im Prinzip erst einige Wochen hinter uns, in denen es etwas ruhiger war. Es gab dann die Idee in Autokinos zu spielen, eben nach den Möglichkeiten was das Social Distancing anging. Das war für uns alle eine neue Erfahrung. Das erste Konzert war in Düsseldorf und das war für mich mit der heißesten Nadel gestrickt, die es je gab. Das Ergebnis war durchwachsen, weil es große Probleme mit der Technik gab. Es ist nicht so geworden wie es hätte werden sollen.

Da bin ich Torsten Quaeschning von Tangerine Dream sehr dankbar, weil er auch mit dabei war. Der hat mir wirklich das Leben gerettet und dem Publikum zumindest den Rest des Abends, so hoffe ich jedenfalls. Das war wirklich eine extrem steile Lernkurve. Die habe ich dann versucht habe beim nächsten Konzert in Mannheim „Lichtsommer“ einzubringen um das wieder gut zu machen. Da war man dann ein bisschen weiter, weil es vor den Autos so einen Bereich gab, wo kleine Grüppchen in Liegestühlen so Lounge-ähnlich auch ohne Autos sein durften. Ich glaube, dass die Idee im Autokino zu spielen, sicherlich nicht das ist, wenn alles wieder normal ist, wo man sagen wird: „Ach komm, lass doch lieber wieder vor Autos spielen. Das war doch viel schöner.“ Aber das war natürlich die Zeit, in der man so etwas ausprobiert hat. Man hätte natürlich auch sagen können, ich mach das mal lieber nicht, ich bleibe lieber zuhause.

Da gab es ja auch einige Künstler, die sich so geäußert haben. Aber gar nichts machen ist ja auch keine Lösung. Das war für alle eine Erfahrung, die aber ja aus heutiger Sicht schon ganz untrennbar mit dieser Zeit verbunden ist und wo man vielleicht eines Tages sagt: „Weißt du noch?“
Wenn man sich Dinge nicht traut oder auch Dinge nicht macht, die man sich anders vorgestellt hätte, dann gibt es eben diese Erlebnisse nicht. Die sind im Moment vielleicht störrisch und man denkt, ich weiß ja nicht. Aber wenn das ein bisschen verheilt, hoffe ich, dass man da etwas milder drauf schaut.

Deine Tourdaten sind ja auch schon wieder verschoben worden.

Ja, das war so ziemlich der schwerste Gang, an den ich mich so erinnern kann. Bisher gab es in den zwanzig Jahren nur ganz selten wirklich Verschiebungen oder Absagen. Ich will nicht sagen, dass es die nie gab, aber das war wirklich selten. Und dann in einem ganz kurzen Zeitraum gleich zweimal Termine verschieben müssen und jetzt beim zweiten Mal sogar Termine absagen müssen, das ist nicht schön. Es hilft auch nicht sich darauf zurückzuziehen, dass es anderen genauso geht. Das ist keine große Hilfe. Egal wie alternativlos das natürlich ist. Selbst wenn man den wollte, dürfte man ja gar nicht spielen. Es ist wie es ist, auch das werden wir irgendwie überleben.
Das tut mir natürlich sehr Leid für das Publikum und für uns alle und ich hoffe sehr, dass wir das 2022 irgendwie wieder gut machen können. Vielleicht gibt es bis dahin ja auch ein neues Album, also ein neues Christopher von Deylen-Album. Und vielleicht kann man dann ja auch sagen, OK, wir haben uns das zwar nicht ausgesucht, aber wir haben das Beste daraus gemacht.

Woher kommt Dein Künstlername Schiller?

Das war 1998 in diesem Zeitraum wo man ganz viel probiert hat. Im Studio liefen immer zwei Fernseher mit VIVA und MTV. Man hat Musik ganz anders wahrgenommen und man war auch ganz anders darauf angewiesen wie man Musik herankommt. Das ging ja nicht so einfach wie heute. Da gab es im Studio eine Glockenmelodie, die sich quasi von selbst ergab. Das war einer von diesen Momenten, denen man eigentlich immer noch hinterher jagt – dieser Moment wo sich ein Stück selbst schreibt. Man liest so etwas ja ab und zu mal, so wie die Beatles erzählt haben, dass Yesterday innerhalb einer halben Stunde entstand. Der Titel war recht schnell gefunden, weil es eben eine Glockenmelodie war. Also hab ich das Stück das Glockenspiel genannt. Das war in einer Zeit in der viele deutsche Produzenten den Eindruck erwecken wollten als kämen sie aus England. Man gab sich also möglichst englische Pseudonyme oder versuchte sich ein englisches Image anzueignen. Das ging sogar soweit, dass einige DJs ihre Weißmuster erst nach England geschickt haben, damit das Paket eine englische Briefmarke hat. Damit war das vermeintlich mehr wert als wenn es zum Beispiel aus Bochum kam.
Um aber das Gegenteil von all dem zu machen, habe ich gedacht, es müsste ein deutscher Name sein. So kam ich vom Glockenspiel auf „Die Glocke“, das Gedicht von Friedrich Schiller, und damit schließlich auf den Namen Schiller, den ich mir ausgeliehen habe. Mir war aber völlig unklar, dass der Name mich solange begleiten würde. Ich dachte, das wird sowieso alles nichts. Hätte man mir gesagt, dass ich mir einen Namen aussuchen soll mit dem ich noch zwanzig Jahre verheiratet bin, hätte ich wahrscheinlich niemals Schiller gewählt. Aber ich bin sehr glücklich, dass Schiller Schiller heißt, und versuche dem Namen so gut es geht Ehre zu machen.

Du reist ja sehr viel und das spiegelt sich auch oft in den Produktionen wider. Was passiert da genau?

Im Januar 2020 war ich in Beirut. Das hört sich natürlich wahnsinnig profan an, weil es so ein Kalenderspruch ist, aber der Weg ist das Ziel. Das gilt in meiner kleinen Welt auch für das Reisen. Es ist natürlich toll irgendwo hinzufahren wo es schön ist, das hab ich früher auch häufiger gemacht. Aber ich habe nicht die Ruhe gefunden mich zu erholen und ich weiß auch gar nicht von was ich mich da erholen soll, denn was ich mache, macht mir ja Spaß. Das was ich mache ist ja mein Leben, das ist ja in dem Sinne keine Arbeit.

Wenn man auf eine Weise reist auf der man Unvorhergesehenes erlebt, bei der Dinge passieren können, die es in keinem Reiseführer gibt, dann verändert sich der Blick. Dann passieren auch Sachen, die man gar nicht unbedingt in Musik umsetzt. Natürlich läuft man ab und zu mit einem Field Recorder rum und nimmt was auf – das wird aber meistens gar nicht genutzt. Das ist wie das Äquivalent zu einem Foto – man nimmt etwas auf, meistens landet es allerdings im Archiv.

Das Reisen erzeugt in mir irgendwie eine Offenheit und vielleicht auch eine gewisse Spannung, die ich aber erst bemerke, wenn ich wieder im Studio bin. Das Bild, dass ich da irgendwo auf dem Berg sitze und Musik mache, ist zwar romantisch, aber so ist es nicht. Während des Unterwegsseins geht es eher darum das Gehirn und das Herz mit Erlebnissen zu befüllen von denen man dann im Studio später zehrt. Das kann auch Jahre später kommen.
Aber ich kann natürlich auch nicht sagen, wie die Dinge klängen, hätte ich jetzt bestimmte Reisen nicht gemacht.
Und es ist natürlich auch was anderes wenn ich zum Beispiel in den Iran fahre, wie bei Morgenstund, um da mit anderen Musikern aufzutreten. Das ist ja eher ein Betriebsausflug.

Morgenstund war ja das erste Album, dass Du in Dolby Atmos gemischt hast – ist das etwas was schon bei der Komposition mit einfließt oder kommt das hinterher? Denkst du beim Schreiben schon über eine gewisse Räumlichkeit nach?

Das hat sich verändert. Als ich das erste Mal in einem Kinofilm mit Dolby Atmos saß, kam da vielleicht mal ein Flirren von oben. Aus Sicht von Dolby hab ich das verstanden – nach Dolby Surround musste noch was kommen. Persönlich hab ich den Mehrwert aber gar nicht so erkannt. Dann gab es Morgenstund und ich hab überlegt, dass es doch interessant wäre mal zu gucken wie es wäre einige Stücke, die ich dafür geeignet hielt in eine Dolby Atmos-Welt zu bringen. Und ich war überrascht und fasziniert davon, was das für einen Unterschied macht. Was das auf einmal für einen Gestaltungsspielraum bietet, den man in Stereo, aber auch in Surround gar nicht abbilden kann.
Als ich da mit Bodo Schulte im Studio saß, als wir das gemacht haben, und man die einzelnen Gruppen an und ausschalten konnte – also Stereo, Surround und die Lautsprecher oben – da war der markanteste Unterschied wenn man die Lautsprecher oben ausgeschaltet hat. Da war klar, dass das Format wahnsinnig viel Potential hat und, dass man eigentlich Musik speziell dafür machen müsste.

Man kann das schwer beschreiben, man redet hier ja über etwas, was man wirklich erleben muss. Vielleicht kann man das bei einem Freund hören, der eine Dolby Atmos-Anlage hat, oder in einem Laden, wenn sie denn dann irgendwann wieder aufhaben. Gerade bei Musik ist da wirklich ein ungeheurer Unterschied, den man da erreichen kann.

 

Und „Berlin – Moskau“ ist auch von vorneherein als Dolby Atmos-Stück konzipiert worden. Da war klar, dass die Dolby Atmos-Version die Hauptversion ist, die zeigt wie das Stück wirklich gemeint ist. Und das wird mich mit Sicherheit in der Zukunft mit begleiten.
Ich habe mir vor ein paar Tagen ein Testauto angehört, wo ein Dolby Atmos-System verbaut wurde, und das war total faszinierend. Im Auto hat man natürlich Zeit, man kann nicht weglaufen und man sitzt immer in der richtigen Position im Verhältnis zu den Lautsprechern – da hat man nochmal eine ganz andere Intensität.
Es wäre toll wenn sich das Format über das Heimkino hinaus auch in Fahrzeugen etablieren könnte, weil man da eben sowieso noch ganz anders Musik hören kann.

Wir halten Dolby Atmos und immersive Musik ja auch für etwas was uns noch sehr lange begleiten wird. Wenn man das einmal gehört hat, will man es nicht mehr normal hören.

Ja, das ging mir ja auch so. Man liest das und denkt, schön, wieder ein Logo mehr. Aber wenn man es einmal gehört hat, wenn es denn vernünftig und dezent eingesetzt wird, dann gehen da wirklich Welten auf. Das ist ja äquivalent zu 3D-Filmen: Da gibt es solche, die sind laut und zeigen einem ständig, dass man in einem 3D-Film sitzt und dann gibt es die, die wirklich gut gemacht sind.

Du hast ja auch immer aufwendige Licht-Elemente bei Deinen Shows. Wie denkst Du das Licht im Hinblick auf Deine Kompositionen?

Das Licht ist schon extrem wichtig. Ich war natürlich bei den allerersten Tourneen noch ganz schüchtern und hab mich gar nicht richtig getraut mich zu artikulieren und zu sagen, dass ich mir da was Rotes und da was Weißes wünsche. Dann stand ich immer nervös neben dem Lichtpult, weil ich da am liebsten auch dran drehen wollte. Auch wenn ich bis heute nicht ganz verstanden habe wie das funktioniert. Aber mittlerweile ist mein Selbstvertrauen gewachsen und die Lichtvorbereitung nimmt genauso viel Zeit in Anspruch wie die musikalische Vorbereitung.

Licht ist deswegen so spannend, weil ich mit Licht den Bühnenraum erweitern kann. Wenn ich mit Lichtstrahlen arbeite und die nicht nur auf die Bühne richte, sondern in den Raum hineingehe, dann ist das wie ein Transportmittel mit denen man Emotionen in den Raum bringt. Die musikalische Abstimmung ist natürlich wahnsinnig wichtig. Man versucht musikalische Elemente mit Licht zu betonen und wie ein Film als verzahnte Einheit zu präsentieren.

Wie denkst Du das Thema immersive Musik für Events? Könntest Du Dir das für Deine Live-Shows vorstellen?

In dem oben beschriebenen Moment bei Morgenstund, als wir die Dolby Atmos-Stücke gemischt haben und ich gemerkt habe was das für einen Unterschied macht, wollte ich die 2019er Arena-Tour eigentlich in Atmos machen. Das war aber in einem Stadium als die Tour technisch schon durchgeplant war und es gibt an den Stellen wo man Lautsprecher hinhängen müsste in den Hallen gar keine Punkte an denen man die hätte befestigen können.

Ich kann mir das aber sehr gut vorstellen, wahlweise im Rahmen einer Tour, oder wenn ich an „Berlin – Moskau“ denke, vielleicht an einer Örtlichkeit die gar keine typische Konzerthalle ist. Ein Ort an dem neben Licht auch der Klang Teil der Architektur ist und man das einem großen Publikum zeigen kann.

Auf Deinem Album ist ja auch binaurales Audio verfügbar – also räumliches Hören über Kopfhörer. Was hat das für eine Bedeutung für Dich?

Ja, das ist natürlich etwas was eigentlich nicht geht: Zwei Kanäle sind zwei Kanäle, also Stereo ist Stereo. Aber es gibt schon seit vielen Jahren Versuche das Klangbild trotzdem räumlicher wirken zu lassen. Ich glaube, dass man es selbst mit dem tollsten Algorithmus und dem tollsten Prozessor es nicht so täuschend echt klingen lassen kann, das man wirklich denkt, dass da etwas sei. Aber was man mit binauralem Sound machen kann ist, dass man das Stereobild irgendwie erweitert, damit es offener und größer klingt. Das ist auch nicht für jedes Stück geeignet, aber es gibt eben einige Tracks, die dadurch doch ein bisschen offener und ein bisschen mehr nach Breitband klingen.

Hörst du gerne mit Kopfhörern? Ist das intensiver?

Ja,… ich höre schon gerne mit Kopfhörern. Man ist natürlich mehr für sich und wenn man spazieren geht, geht es ja fast gar nicht anders, wenn man sich nicht den Mono Bluetooth-Kopfhörer auf die Schulter stellen will. Was natürlich fehlt bei Kopfhörern ist die wirklich körperliche Empfindung des Klangs. Man kann die natürlich auch aufreißen und richtig laut machen, aber die musikalische Schwingung, die den Körper erreicht, die geht mit Kopfhörern nicht.
Ich habe deswegen gezögert, weil ich zum Arbeiten natürlich ständig Kopfhörer trage und manchmal auch froh bin, Musik so hören zu können, ohne Kopfhörer.

Wie kommt es, dass Du so viele beeindruckende Gastfeatures hast? Wie funktioniert das mit dem Arrangement?

Das kann ich gar nicht so leicht beantworten, weil das immer anders ist. Es gibt da kein Schema oder Rezept. Erstmal ist alles ganz offen – alles kann, nichts muss. Man muss sich privat gar nicht so gut kennen, das ist manchmal sogar eher hinderlich. Solange da eine musikalische Neugier auf das ist, was der andere macht, und eine Offenheit etwas von sich preiszugeben, finde ich das spannend einen musikalischen One-Night-Stand zu riskieren. Es gibt Momente da kommt nichts dabei raus, aber es gibt auch Momente da kann was entstehen, was nicht entstanden wäre, wenn beide für sich geblieben wären.

Geht der Impuls dann eher von Dir aus?

Ja, bisher ging das meistens von mir aus. Es gab selten Momente in denen ich gefragt wurde. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, dass nicht ich derjenige war, der den ersten Schritt gemacht hat – zumindest bei den Zusammenarbeiten, die auch zum Ende gekommen sind.
Aber es ist natürlich ein tolles Geschenk wenn man sich wirklich auf die Musik konzentrieren kann und alles andere egal ist.

Ich picke jetzt mal den Namen Nena raus – ist das die Stimme oder was ist das, was Dich dazu bewogen hat auf Nena zuzugehen?

Nena hat ja etwas, von dem sie glaub ich gar nicht weiß, dass sie das hat. Das ist eine unbekümmert klingende Lässigkeit mit der sie singt und generell eine Art sich auszudrücken, die sehr besonders ist. Sie macht sich auch nicht wahnsinnig viele Gedanken über das was man so sagt oder tut oder wie man sich gibt oder wie die Menschen das so finden. Allein das gibt es schon unabhängig von der musikalischen Intensität selten. Ich finde das sehr anziehend und sehr bemerkenswert, dass sie immer noch so ihren Weg geht. Es gibt nur eine Nena.

Und wie ist dann der genaue Prozess? Gibt es da einen klaren Plan?

Auch da gibt es eigentlich keine Blaupause. Es kann sein, dass man sich im übertragenen Sinne zusammen einschließt und nach zwei, drei Stunden ist das Stück fertig. Es kann auch sein, dass man sich einschließt und es passiert gar nichts. Dann macht man das vielleicht ein paar Tage später nochmal. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass ich sehr gerne für mich alleine bin und mich in meinem Klanglabor am wohlsten fühle. Da kenne ich mich aus und weiß wo jeder Knopf ist. Und man hat auch Lampenfieber wenn man sich auf einen anderen Künstler, einen anderen Menschen einlässt. Nena ist halt Nena und Alphaville ist Alphaville. Da ist man natürlich auch nervös, aber ich bin auch nervös bei jemandem der noch nicht so bekannt ist, weil man ja erstmal aus seiner Komfortzone herausbegibt und weil man sich natürlich wünscht, dass das was man macht etwas auslösen kann. Wenn das aber mal nicht der Fall ist, weil es den Mensch oder Künstler nicht anspricht – das sitzt dann schon. Dann ist man erst einmal bedient und brauch Zeit für sich.

Du hast ja auch einen Remix von Rammstein gemacht: „Ohne Dich“. Wie kam es dazu?

Das war auch ein ganz großer Zufall. Das Lied ist ja für Rammstein-Verhältnisse eher ungewöhnlich als Ballade – ein sehr ruhiges Stück, auch sehr orchestral. Da hat man nach geeigneten Remixern gesucht und weil das Stück etwas softer, etwas melancholischer war, hat man an mich gedacht. Das fand ich natürlich ganz toll und das hat sehr viel Spaß gemacht.
Es war natürlich etwas ganz Besonderes auf einmal das Mehrspur-Projekt von Rammstein bei sich einzuladen in den Computer und daraus etwas zu machen.
Man muss gefragt werden. Bei Polarkreis 18 und ihrem Hit „Allein, allein“ bin ich zu der Band gegangen beziehungsweise zu der Plattenfirma, welche damals dieselbe war bei der ich war, Universal Music. Ich wollte unbedingt einen Remix zu diesem Stück machen, ich hätte das auch so gemacht, ich wollte da gar kein Geld für, weil ich das Stück so genial fand. Das hat auch geklappt. Das kann man natürlich tun, sich selbst anbieten, aber es ist sicherlich hilfreich wenn derjenige der das Stück eigentlich produziert hat, das auch möchte.

Neben Deinen Kooperationen im Pop-Bereich machst Du ja auch Ausflüge in die Klassik. Was bedeuten die für Dich?

Klassik ist ja auch Musik. Ich finde, dass es in der Klassik ganz tolle Melodien und spannende Künstler gibt. Meistens ist es ja so, dass jemand der sich für den klassischen Weg entscheidet, Dinge spielt die es schon gibt und die es schon hundert mal gab. Man muss sich also überlegen warum möchte Hélène Grimaud die zwanzigste Version von etwas spielen. Im Klassikbetrieb sind das ja, wenn man so will, alles Coverversionen. Das finde ich spannend, weil mir das gar nicht in den Sinn kommen würde. Ich könnte das gar nicht. Das ist ja wie wenn man im Sport übt und übt und übt und hofft, dass man irgendwann besser ist als ein Bernstein oder Rubinstein. Das ist sicherlich ein gewisser Ehrgeiz, aber es ist ganz schwer etwas Neues zu schaffen. Klar, gibt es neue Kompositionen, neue E-Musik. Aber ich finde die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik etwas zweifelhaft. Warum muss das eine ernst sein und warum ist das andere nur Unterhaltungsmusik? Das kann sich ja auch gegenseitig an die Hand nehmen. Das ist der Grund warum ich mich zwischendurch immer wieder für klassische Elemente interessiere.

Die frühere Schiller-Single „Ein schöner Tag“ basierte ja auf einer Oper von Puccini „Madama Butterfly“. Und ich bin natürlich auch neugierig. Wie arbeitet so ein Lang Lang? Wie tickt der?
Die sind ja ganz anders – die machen ja das was ich nie wollte.
Ich hab Klavier gelernt und die Klavierlehrerin kam mit ihrem Notenstapel an und ich hab das während des Spielens schon langweilig gefunden. Warum sollte ich das jetzt nochmal spielen? Das haben andere doch schon viel besser gemacht. Für mich ging es um das Neue.
Und es ist spannend diese Künstler dann etwas zu schubsen doch etwas Neues zu probieren.

Ein kleiner Rebell in mir provoziert auch gerne die so genannte Klassikpolizei, die sehr argwöhnisch ist, wenn man Melodien aus der Klassik in andere Klangwelten entführt. Wenn man dann einen Verriss in der FAZ über das Album Opus liest, weiß man, dass man alles richtig gemacht hat.

Könntest Du Dir auch vorstellen mal Musik für einen Film zu machen?

Ja, das könnte ich mir sehr gut vorstellen. Allein der Entschluss Filmmusik machen zu wollen reicht aber nicht aus. Es müssen da ganz viele Dinge zusammenkommen und es wäre für mich sicher auch eine Lernkurve, die ich vollziehen müsste. Beim Film ist die eine Hälfte Kreativität und die andere Hälfte ist Handwerk. Wenn man jetzt Musik für eine Szene schreiben soll, ändert diese Szene sich ja auch häufig immer wieder. Dann ist man sehr viel damit beschäftigt die Musik, die man sich mit Mühe abgerungen hat, zu verändern, zu kürzen und anzupassen. Das könnte ich vielleicht – ich bin mir aber unsicher ob mir das liegt. Ich würde das gerne mal ausprobieren und ich hoffe es gibt irgendwann mal einen Film, wo ich auch was beitragen kann.

2004 hast Du ja bereits für „Das Tor zum Himmel“ zwei Songs beigesteuert.

Ja, das ist korrekt. Da kommen auch meine bisherigen Erfahrungen her. Es gab da eine wunderschöne Szene für die ich wirklich die perfekte Musik machen wollte.
Dann kam der Verleih und sagte, dass der Film zu lang sei und, dass der gekürzt werden müsse. Und so wurde dann diese Szene herausgeschnitten und da war ich wirklich traurig.
Filmmusik machen ist ein ganz bisschen ein Job, weil der Regisseur der Chef ist. Damit muss man klar kommen und das geht nur, wenn man einen Regisseur oder ein Team hat, wo man sich nicht zu sehr verbiegen muss. Ich bin ja sonst Einzelkämpfer. Ich würde das aber gerne nochmal probieren.

Wie hörst du denn zuhause Musik? Auch immersiv – hast du eine entsprechende Anlage?

Nein, leider mache ich das im Moment nicht. Als ich noch in Berlin gelebt habe, hatte ich eine kleine 5.1-Anlage. Die habe ich aber nicht mehr. Ich spiele aber zurzeit mit dem Gedanken mir etwas zuzulegen – eine kompakte Version mit der ich immersiv Musik hören kann.
Das ist auf jeden Fall etwas, was ich vorhabe – das würde ich sehr gerne tun.

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