Wir hatten das Vergnügen, mit dem renommierten Toningenieur Hans-Martin Buff zu sprechen, der seit über 30 Jahren in der Musikbranche tätig ist. Unser Interviewer Christoph Diekmann sprach mit ihm über seinen faszinierenden Werdegang, seine Erfahrungen mit immersivem Audio und seine Arbeit an Projekten wie dem Album „Für immer 30 Jahre Live“ der Fantastischen Vier.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast für unseren Blog auf Pure Audio Recordings. Möchtest du uns ein wenig über deinen Werdegang in der Musikindustrie erzählen?
Natürlich. Ich bin seit 30 Jahren im Tongeschäft tätig, was für mich damals eine ziemliche Überraschung war. Ich war immer in der Musik und in Bands, hatte jedoch nichts mit dem Mischen und der Tontechnik zu tun. Mein Einstieg in die Tontechnik erfolgte durch einen Freund, als ich in den 90ern in Minnesota lebte. Daran habe ich dann ziemlich schnell Gefallen gefunden. Zunächst arbeitete ich als Assistent in einem Studio und war dann freiberuflich für Bands tätig. Mein erster größerer Sprung kam, als ich Ende der 90er Jahre einen Gig bei Prince im Studio landen konnte.
Nach dieser Phase habe ich kurzzeitig einen Ausflug in die Postproduktion für das Fernsehen unternommen, aber das war nichts für mich. Daraufhin bin ich mit meiner Familie nach Deutschland gezogen, und bekam die Gelegenheit, mit erstaunlichen Menschen zu arbeiten, insbesondere in den 2000er Jahren, mit Peppermint Jam und Peppermint Park. Ich war immer technisch involviert und habe sogar einige aktuelle Projekte mitproduziert wie bspw. Scorpions. Daher war meine Reise in der Musikindustrie ziemlich vielfältig.
Bist du über 5.1 zu 3D-Audio gekommen bzw. hast du 5.1 überhaupt aktiv gemischt?
Ich habe es gemischt, wenn es Teil von etwas war. Also nur in den 00er Jahren und auf Live-DVDs. Meine Erfahrungen mit 5.1 Audio waren zunächst nicht sehr positiv und ich war anfangs skeptisch gegenüber allem, was über Stereo hinausging. Vielmehr war ich daran interessiert, Musik zu machen, die jeder genießen kann, ohne komplizierte Setups zu benötigen. Mit Mehrkanal-Lautsprechersystemen hatte ich in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen gemacht.
Der Übergang zu 3D-Audio fand vor etwa fünf Jahren statt, als ich das Potenzial erkannte. Der Schlüssel für mich war, dass es mit der Ausrüstung funktionieren konnte, die die Leute bereits hatten, wie zum Beispiel Kopfhörer. Dieser Ansatz gab den Zuhörern die Freiheit, die Musik so zu erleben, wie sie es wollten. Für mich war die Produktion von 3D-Audio eine natürliche Entwicklung, die ich als künstlerisches und nicht als technisches Unterfangen betrachte. Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass 3D-Audio nur „anders gemischtes Stereo“ ist. Man muss es so angehen, wie man einen guten Stereomix angeht – in der Produktion und in den kreativen Schritten.
Wie ist dein Verhältnis zum Lautsprecher-Mix im Vergleich zum Kopfhörer-Mix?
Ich frage mich immer: Wenn ich etwas binaural mache, warum sollte ich es dann über Lautsprecher mischen? Ich muss es so hören, wie die Leute es hören. Aber wenn ich Dolby Atmos mische, weiß ich nicht, wie die Leute es am Ende hören werden. Hier fange ich mit Kopfhörern an, um einen vorläufigen Mix zu machen. Ich muss hören, wie das Publikum die Musik über Kopfhörer erleben wird, denn das ist heutzutage die primäre Art, Musik zu hören. Dann überprüfe ich die Mischung auf den Lautsprechern, um sicherzugehen, dass sie gut ankommt. Danach gehe ich zurück zu den Kopfhörern, um eventuelle Anpassungen vorzunehmen.
Mein Ansatz ist, dass die Musik sowohl über Kopfhörer als auch über Lautsprecher gut klingen muss. Es geht darum, ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Hörerfahrungen zu finden.
Gibt es Genre-Beschränkungen, bei denen 3D-Mixing mit Kopfhörern nicht gut funktioniert, oder funktioniert es mit jeder Musikrichtung, z.B. Klassik oder Jazz?
Ich glaube nicht, dass es strikte Genre-Einschränkungen gibt, aber bei klassischer Musik kann ich mir das schon vorstellen. Pop zum Beispiel kann man in verschiedenen Versionen verwenden, was mehr Möglichkeiten zum Ausprobieren bietet. Jazz kann wunderbar funktionieren, weil er die gleichen Freiheiten hat wie Rock oder Pop. Aber es geht vor allem darum, wie man an den Aufnahme- und Produktionsprozess herangeht, um die räumlichen Dimensionen in der Musik herauszuarbeiten.
Kommen wir zu den Fantastischen Vier. Wie kam es zum Fanta4-Projekt?
Ich hatte eine Geschäftsbeziehung zu einer Firma namens 3D-Pro und wir haben beim Fanta-Konzert zusammengearbeitet. Sie waren für den Stereo-Mix verantwortlich, während ich mich auf den Dolby-Atmos-Mix konzentriert habe. Für mich ist es wichtig, beim Mischen nichts Künstliches zu erschaffen, sondern dem Vorhandenen etwas hinzuzufügen. Mein Ziel war es, ein Szenario zu schaffen, in dem die Künstler zu ihrem eigenen Konzert gehen können. Also ein immersives Erlebnis für sie zu schaffen, damit sie ihr eigenes Konzert so erleben können, als wären sie im Publikum. Ich wollte sicherstellen, dass es besser klingt als das, was sie ohnehin hören. Und das ist mir gelungen.
Kannst du deine Herangehensweise an den Videomix erklären?
Ich versuche, die Videomischung etwas anders zu machen. Die Mischung für visuelle Inhalte unterscheidet sich von der reinen Audiomischung, da sich unsere Wahrnehmung ändert, wenn wir etwas sehen. Die Augen haben einen großen Einfluss auf das Gehirn, deshalb passe ich den Ton an die visuelle Darstellung an. Das kann einige Feinabstimmungen erfordern, um sicherzustellen, dass der Ton mit dem, was auf der Leinwand passiert, harmoniert.
Dein Mix konzentriert sich darauf, die Live-Atmosphäre einzufangen. Hast du zusätzliche Tracks hinzugefügt, die nicht im Raum waren?
Ja, in der Tat. Bei diesem Mix habe ich mich darauf konzentriert, die authentische Live-Atmosphäre einzufangen, die du gerade erwähnt hast. Das bedeutete, die Sounds so zu gestalten, dass der Eindruck entsteht, das Publikum sei tatsächlich vor Ort. Das habe ich erreicht, indem ich zusätzliche Spuren in den Raum gelegt habe, wo normalerweise nur das Publikum zu hören gewesen wäre. Ich wollte sicherstellen, dass die Zuhörer ein intensives und immersives Klangerlebnis haben, das der realen Konzertatmosphäre so nahe wie möglich kommt.
Gab es besondere Herausforderungen bei den Aufnahmen zum Album „Für immer 30 Jahre Live“?
Ich musste einige Dinge ändern, um den Enthusiasmus besser hörbar zu machen. Das lag vor allem daran, dass wir in einem Stadion und nicht in einer Halle aufgenommen haben. Stadien sind akustisch schwierig, weil der Schall nach oben entweichen kann. Mit zwei verschiedenen Arrays und einigen Mikrofonen haben wir es trotzdem geschafft, eine gute Atmosphäre einzufangen.
Wie haben die Künstler auf die 3D-Produktion reagiert?
Ich habe mich mit And.Y ausgetauscht. Ich habe ihm ein paar Sachen vorgespielt, damit er einen Eindruck bekommt. Nicht nur die Fanta4-Sachen, sondern auch andere Sachen von mir. Das fand er super.
Abschließend: Was sind deine nächsten Projekte? Können wir mit Blu-Ray, Streaming oder ähnlichem rechnen?
Meine nächsten Projekte sind sehr vielfältig. Ich arbeite an neuen 3D-Audio-Produktionen und ich arbeite eng mit verschiedenen Künstlern zusammen, um ihre Musik in 3D-Audio zu präsentieren. Außerdem schreibe ich gerade an einem Buch, in dem ich meine Erfahrungen und mein Wissen im Bereich Musikproduktion und 3D-Audio weitergeben werde. Mein Ziel ist es, weiterhin innovative Ansätze in der Audiowelt zu verfolgen und die Zuhörer mit hochwertigen 3D-Klangerlebnissen zu begeistern.
Die Plattenfirmen müssen sich zwangsläufig mit 3D-Audio auseinandersetzen. Das führt dazu, dass sehr viele Aufträge mit geringem Aufwand vergeben werden. Sie sehen es eher als Gimmick. Mein Ziel ist es aber, tolle Projekte mit tollen Leuten zu machen. Projekte, in denen ein kreativer Entscheidungsprozess möglich ist.
Das klingt sehr vielversprechend. Hans-Martin, vielen Dank für deine Zeit, mach’s gut!
Gern geschehen Christoph, bis dann!
Zur Info: Der In-Side Mix in Dolby Atmos des neuen Peter Gabriel Albums „I/O“ wurde ebenfalls von Hans-Martin Buff gemischt.