Beethovens Pastorale in Bildern

In seiner Reihe "Symphonien in Bildern" hat Musiker und Fotograf Tobias Melle schon einige große Konzertmusik visualisiert. Sein neuester Eintrag widmet sich Beethovens Pastorale. Ein Gespräch mit Tobias Melle über ganzheitliche Sinneserfahrung, Dolby Atmos als Annäherung an ein Konzerterlebnis und Beethovens Zugang zur Natur.

Sie selbst beschreiben Ihre Arbeit als „Sinfonie in Bildern“ und verwahren sich vor dem Begriff Diashow. Wie haben Sie begonnen Fotografie und Musik zu verschmelzen?

Der Anfang meiner Arbeit vor über 25 Jahren war tatsächlich ein Diavortrag, in dem ich versuchte, Bildfolgen auf Musik abzustimmen. Ich merkte sehr schnell, dass hier etwas Wunderbares passiert: Durch das Visuelle kann das Musikerlebnis enorm gesteigert werden! Da ich als Cellist selber Musiker bin war es dann ein logischer Schritt, eine ganze Sinfonie visuell zu übersetzen. Das Ergebnis war dann die „Neue Welt in Bildern“ mit Dvoraks 9. Sinfonie, die große Begeisterung im Konzertsaal auslöste. Ich steuere alle Bildwechsel live,
deshalb gelingt die Verschmelzung im Konzert punktgenau und harmonisch – und Dirigent und Orchester sind trotzdem frei in ihrer Interpretation. Wirkliche
Musik geschieht ja immer im Hier und Jetzt.

Bei Ihrem Werk sollen alle Sinne angesprochen werden. War für Ihr Projekt eine Mischung in Dolby Atmos also folgerichtig um neben der Bild- und Tonebene den ganzen Raum füllen zu können?

Das Hörerlebnis mit Dolby Atmos ist großartig – man könnte wirklich glauben, am besten Platz des Konzertsaals zu sitzen. Da meine „Sinfonien in Bildern“ ja eigentlich live aufgeführt werden ist deshalb Dolby Atmos in Verbindung mit einem möglichst großen Screen die bestmögliche Annäherung an ein Konzerterlebnis. Deshalb ist es mir auch wichtig, eine Live-Aufnahme zu verwenden, wie hier mit dem BRSO unter Mariss Jansons aus dem Herkulessaal München – übrigens auch technisch eine fantastische Aufnahme.

Dolby Atmos kennen die meisten aus dem Kino. Was war Ihr erster Berührungspunkt mit immersivem Sound? Wann kam Ihnen die Idee Ihr Projekt mit dieser Technologie zu bereichern?

 Alle meine Sinfonien in Bildern wurden als DVD bzw. Blu-ray veröffentlicht und hatten schon immer Mehrkanal-Sound, also mindestens dts, einfach aus dem Grund, um mitten im Geschehen sitzen zu können. Da ich aus der Musik komme – die Musik ja auch meine ganze Arbeit bestimmt – freute ich mich sehr, von meinem Mastering- und Produktionspartner msm studios einmal eine Vorführung von Dolby Atmos durch Stefan Bock zu erleben. Ich war sofort begeistert!

„Beethoven war ein sehr politischer Mensch und seiner Welt zugewandt, und schon damals waren Städte laute, hektische und schmutzige Orte, vor denen er in die Natur floh.“

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Ihre Bilder werden auch als „Fenster zur Welt“ beschrieben. Um diese „Fenster zur Welt“ zu finden, bedarf es sicherlich eines persönlichen Weg zu diesen Fenstern – was hat Sie beispielsweise konkret inspiriert als Sie an Beethovens Pastorale gearbeitet haben?

Ein Bild ist immer auch ein Fernster – nicht nur auf das, was der Betrachter im Bild sieht sondern auch in die Vorstellungswelt des Fotografen, der ja diesen Blick durch das Sucher-Fenster seiner Kamera eingefangen hat.
Beethoven war ein sehr politischer Mensch und seiner Welt zugewandt, und schon damals waren Städte laute, hektische und schmutzige Orte, vor denen er in die Natur floh. Diese Emotionen schildert er in seiner „Pastorale“ – und zeigt zugleich, dass gerade dort, in der Natur, das ultimative Chaos lauert.
Die Menschheit in der Gegenwart ist zunehmend visuell orientiert, die Sinfonien der berühmten Komponisten sind dagegen so gut bekannt und oft gehört, dass ein neues, ein gegenwärtiges Hören  zunehmend schwieriger wird. Durch eine sinnfällige Verbindung der Musik mit Bildern hauche ich dem sinfonischen Erlebnis neues Leben ein. „Die Pastorale“ bekommt so wieder eine Wucht und Eindringlichkeit, die Beethoven sicher gefallen würde!

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