Musik im Schatten der Krise(n)

Im Juni 2020 entstand das neue Album von Post Scriptum Jazz. In einer Zeit der Pandemie und der sich ankündigenden politischen Spannungen wurde das Everest Media Studio in Minsk zu einem Ort des Rückzugs und der kreativen Schaffenskraft, um ein Werk zu kreieren, das reich an wunderbaren Melodien, Sehnsüchten und zugleich voller Energie ist. Einflüsse lateinamerikanischer, klassischer, Soul- und Fusionmusik innerhalb der eigenen Kompositionen sind deutlich hörbar. Inspiriert wurden die Musiker dabei von Künstlern wie Joshua Redman, Brad Mehldau, Chick Corea, Robert Glasper, Aaron Parks, Cory Henry, Mark Guiliana und Seamus Blake.

Die junge belarusische Band mit Kiryl Matsenka am Saxophon, Alexey Kazak an den Keyboards und am Fender Rhodes, Alexey Maksimov an den Drums, Pawel Orlow am Bass und Eugene Ryshkevich an der Gitarre traf sich mit uns für ein Online Interview. Stellvertretend für die Band waren Kiryl und Eugene anwesend und für das Produktionsteam Kseniya Kawko und Ephraim Hahn.

„2020 bin ich für ein paar Wochen nach Belarus zurückgekehrt und hatte die Idee, die Zeit produktiv zu nutzen und im Studio ein immersives Album mit Musikern vor Ort zu produzieren. Ich dachte gleich an Post Scriptum Jazz. Schon 2014 haben wir erste Projekte gemeinsam gemacht und es war immer eine schöne Zusammenarbeit“, erinnert sich Kseniya, Tonmeisterin und Produzentin des Albums.

„Es war immer mein Traum ein Album mit meinen eigenen Kompositionen aufzunehmen. Vor der Aufnahme konnte ich mir nur in der Theorie vorstellen, was genau 3D-Audio bedeutet. Ich habe dann bei der Umsetzung Kseniyas Erfahrung voll und ganz vertraut.“ sagt Kiryl. „Als ich das Album Anfang Februar dann zum ersten Mal immersiv gehört habe, war es wirklich ein überwältigender Moment für mich. Es klingt alles so lebendig, ich hatte das Gefühl, ich bin wieder im Aufnahmeraum zusammen mit meiner Band. Dieses neue Hörerlebnis hat bei mir gleich viele neue Ideen für neue Arrangements und zukünftigen Kompositionen angeregt.“

Die Band Post Scriptum Jazz entstand während des Studiums der Musiker am Minsker Glinka Music College. Das Quintett trat auf dem Saxophoniana Festival 2012 erstmals öffentlich auf. Diese Erfahrung des gemeinsamen Musizierens war damals schon unglaublich inspirierend und schweißt Post Scriptum Jazz trotz einiger Formationswechsel bis heute zusammen. Zahlreiche Auftritte folgten, bis es einen plötzlichen Einschnitt gab: nicht die Corona Pandemie war es, die das unabhängige Musikleben zum Stillstand brachte, sondern die aktuelle Lage. Eugene, der zurzeit immer noch in Minsk lebt erzählt: „Es ist ruhig geworden. Die Situation in Belarus ist sehr angespannt und äußerst schwierig zu bewältigen. Wir als Musiker hoffen auf bessere Zeiten und darauf, dass wir bald wieder auftreten können. Das wird vermutlich außerhalb von Belarus geschehen.“ Kiryl ergänzt: „Wir versuchen gerade z. B. Auftritte in Polen zu organisieren, um unserer Kunst wieder nachgehen zu können“.

Alle Mitglieder der Band komponieren und arrangieren selbst, auch für das Album New Birthday. Kiryl und Eugene erzählen von der Arbeit vor der Aufnahme: „Wir hatten in der Vorbereitungszeit für das Album unterschiedlichste Kompositionen ausprobiert, sie in Jam Sessions verfeinert, teils wieder verworfen und neu konzipiert.“

Eugene Ryshkevich

Die meisten Kompositionen auf der Platte sind vom Saxophonisten geschrieben und er ergänzt: „Es ist unerheblich, wer einen Titel komponiert hat. Viel entscheidender ist, wie wir die Musik zusammen gestalten und weiterentwickeln. Deshalb ist es sehr wichtig für mich Konzerte mit diesen Kompositionen mit Post Scriptum Jazz zu spielen. Mit anderen Musikern, wäre es einfach nicht dieselbe Musik.“

Zur Frage ob einzelne Titel des Albums für die Musiker eine besondere Bedeutung haben sag Eugene: „Das Stück Ballad nimmt für mich einen besonderen Stellenwert ein. Bei solchen Kompositionen ist es schwierig, nicht zu dick aufzutragen. Es war wichtig, die Struktur transparent zu lassen aber gleichzeitig auch eigene Improvisationen einzubringen. Nachdem ich dann die endgültige Fassung gehört hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, etwas zu entfernen oder hinzuzufügen, die Form war perfekt!“

Und Kiryl erzählt: „Für mich sind zwei Songs des Albums herausragend. Zum einen der Titeltrack New Birthday, weil darin der Stil von Post Scriptum Jazz, nämlich eine Kombination aus komplexen Rhythmen, untypischen Übergängen mit schönen melodischen Linien und allgemeiner Harmonie, besonders deutlich zum Ausdruck kommt. Zum anderen ist der Track Failed Steps besonders lebhaft ausgefallen: Wir hatten eine Menge Spaß bei den Aufnahmen im Studio, und diese Energie spiegelt sich perfekt in der Albumversion wider. Das liegt zum Teil am Sound aber auch am Arrangement: Die Mischung aus Synthies und Bass-Oktave macht den Track noch dichter. Das Gitarrensolo in diesem Stück ist definitiv mein Favorit auf dem ganzen Album!“

Vom Verkauf jedes einzelnen Albums werden € 10,– an die Intitiative #artistsinshelter gespendet. „Die aktuelle Situation in der Ukraine bringt viele Künstler um Lohn und Brot. #artistsinshelter unterstützt betroffene Künstler und trägt dazu bei, ihnen einen Neuanfang zu ermöglichen. Das möchten wir unterstützen und mit unserer Musik ein Zeichen setzen.“, erklärt Kseniya.

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Kiryl Matsenka

Das Album ist bei Immersive Sound Art erschienen. Wir danken für das Interview und dieses wundervolle Album in der Hoffnung, dass die Musik der Band Post Scriptum Jazz viele Menschen dazu anregt, Frieden zu stiften.

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